DOC . 43 8 MESSAGE 669 Botschaft Von Albert Einstein. Der ersten Nummer der neuen Zeitschrift La Revue Juive“ entnehmen wir das nachfolgende "Be- kenntnis des berühmten Gelehrten zu einem geläuterten Zionismus. Das Vorhandensein von verschiedenen Nationalitäten und demzufolge von einander widerstrebenden Nationalismen, so- wohl innerhalb wie außerhalb Europas, muß seiner Ansicht [1] nach als Unglück betrachtet werden. 1st es erforderlich, zu wiederholen, daß ein gewisser Nationalismus eine wirkliche Gefahr für den Frieden und eine unerschöpfliche Quelle von Ungerechtigkeiten und Unglück bildet? [2] Auf der anderen Seite gibt es eine Tatsache, die man nicht hinwegleugnen kann: Die Juden werden nahezu über- all als Mitglieder einer national klar charakterisierten Gruppe behandelt. Das könnte Juden bedauerlich erscheinen, die, wic ich, die Zugehörigkeit zur Nationalität der Menschheit allein als ein zwar schwer erreichbares, aber dennoch mög- liches Ideal betrachten. Nietzsche hat gesagt, daß eine der Eigentümlichkeiten des jüdischen Volkes darin bestehe, „die subtile Nutzbar- machung des Unglücks“ zu kennen und zu verwirklichen. [3] Die Juden müssen auch ihre Nationalität nutzbar machen. Mögen sic dies tun, um der allgemeinen Wohlfahrt willen ! Es obliegt ihnen, aus sich heraus jene Tugenden und jenen Glauben zu entwickeln, die für den, der der Mensch- heit dienen will, unentbehrlich sind. Da das Verschwinden [4] der jüdischen Nationalität, für den Augenblick wenigstens, unmöglich erscheint, müssen die Israeliten deren Existenz rechtfertigen. Und aus diesem Grunde müssen sie ohne lächerlichen Hochmut das Bewußtsein des menschlichen Wertes, den sie darstellen, wiedergewinnen. Durch das Studium ihrer Vergangenheit, durch ein besseres Verständnis ihres Geistes gemäß ihrer Rasse, müssen sie von neuem die Mission kennen lernen, die sie zu erfüllen vermögen. Der Zionismus kann ihnen auf diese Weise helfen. Indem er ihnen eine Vergangenheit voll Ruhm und Schmerz ins Gedächtnis zurückruft und ihren Blicken eine gesündere wür- dige Zukunft eröffnet, leitet er sie an, sich weniger schlecht zu kennen und Mut zu fassen. Er gibt ihnen die moralische Kraft wieder, die ihnen gestatten wird, würdig zu leben und zu handeln. Er befreit ihre Seele von dem unentschuld- baren Gefühl übertriebener Bescheidenheit, das sie nur be- drücken, unfruchtbar machen kann. Er gemahnt sie schließlich daran, daß die in gemeinsamen Schmerzen durchlebten Jahr- hunderte Pflichten der Solidarität auferlegen.
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