1 2 V O L . 1 , D O C U M E N T 1 8 c J U L Y 1 8 9 6 Vol. 1, 18c. To Pauline Winteler Pavia Dienstag. [14 July 1896][1] Meine liebe Mamerl No2[2] Sintemal & alldieweil ich immer verleumdet werde, weil ich kein fleißiger, stre- biger Jüngling sei, & meine Mamerl N2 eine gar gute Mamerl ist (unbeschadet No1),[3] schreib ich Ihnen gleich ¢nach² am ersten Tag & teile Ihnen mit, daß auf der Reise mein Leibweh einen glänzenden Verlauf nahm, wie überhaupt die ganze Reise & alles, was drum & dran hing. Es war eine ganz kannibalische Hitze, die gerade noch dazupaßte kurz, ich hätte, geglaubt, mich in der Hölle zu befinden, wenn mich mein lieber Cousin[4] und Ihr Kuchen nicht so liebevoll angeguckt hät- ten und ich nicht hätte süß von der Zeit hätte träumen können, wo es noch kein Bauchweh gab & es nicht so heiß war—und wo es überhaupt recht lieblich und nett war. Hier in Pavia bei Muttern N1 gefällts mir wieder famos. Wir musizieren dem Teufel und meinem lieben Papa[5] ein Ohr weg und machen viel Witze, die sich durch ihre hervorragende Schlechtigkeit auszeichnen. Im Pankander[6] haben wir schon viel gelesen ¢und² meine Eltern sind entzückt davon, Papa findet daß diese Paarung von zartem Gefühl und mächtigen Gedanken lebhaft an Heine[7] erinnert, der sein Lieblingsdichter ist. Mein Schwesterchen[8] spielt wieder brav Klavier viel Technik, Geist & ästhetisches Gefühl aber wenig lyrisches Gemüt. Sie ist über- haupt ein großes Luder (im besten Sinn genommen). Die Sonne brennt hier herun- ter, wie wenn sie im Akkord bezahlt bekäme man wird so beständig gebraten. Doch zu Tode gebraten wird man nicht, Sie brauchen keine Angst für Ihr liebes Stief- & Pflegesöhnchen zu haben das sieht man an den Paveseln, welche noch recht lebendig sind & deren Nervenstärke sich herrisch im Ertragen des schauder- haften Drehorgelgebimbels zeigt, eine bedeutende Leistung. Sonst gibts hier keine Unterhaltung. Wenn sie spazierengehen, Kartoffeln rösten, vermehrt & verbesserte Theeauflagen machen, schwatzen & lachen, wenn Mariechen[9] musiziert, dann denken Sie hier & da in stiefmütterlicher Liebe & Freundschaft an Ihren Albert. Grüßen Sie mir bitte Herrn Professor & Mariechen & Frl. Rosa & die Buben & entschuldigen Sie mich bei Mathias,[10] weil ich mich nicht von ihm verabschiedet habe. ALS (SzBHM, Nachlass Familie Winteler, 62833). [95 707]. Pauline Einstein’s postscript is omitted. [1]Dated by the reference to the hot weather in Pavia and the fact that the first Tuesday after the beginning of Einstein’s summer school vacation was 14 July. [2]Einstein had previously referred to Pauline Winteler as “Mamerl” in similar fashion (see, e.g., Einstein to Pauline Winteler, May? 1897 [Vol. 1, Doc. 34], and Vol. 1, Biography of Pauline Winteler, p. 388).