1 6 V O L . 1 , D O C U M E N T 3 3 a M A Y 1 8 9 7 Schmerz, auch wenn ich weiß, daß es grundlos ist. Wenn selbst Sie Schätzchen mit Ihrem lieben, weichen Gemüt mich nicht mehr verstehen, dann verzweifle ich noch an mir selbst. Wie unmenschlich muß ich gewesen sein, daß mein Liebchen es als Lieblosigkeit empfand. Heute hab’ ich wieder einen Brief von zuhause bekom- men,[1] wie traurig, Schätzchen. Und nun wanken auch noch Sie! Ach Schätzchen, so schwach und ohnmächtig hab ich mich noch nie gefühlt wie heute. Was bin ich Ihnen auch, was kann ich Ihnen bieten! Ich bin nichts als ein Schul-knabe & habe nichts und habe nichts zu hoffen & drohe den Glauben an mich selbst zu verlieren. Ich habe nichts als mein Gemüt & meine Gedanken, diese beiden muß ich im- merfort mit Schmerzen erkaufen. Diese beiden Dinger sollen Sie ganz haben, we- nig, aber alles was ich habe. Und da fragen Sie noch, ob ich Sie aus Mitleid so lieb habe! Ich wüßte wirklich keine Höhe mir einzubilden, von der herab ich Sie, mein Lieb, bemitleiden könnte & ich wäre sehr unglücklich, wenn ichs könnte ach, so mißverstehen Sie das Mitgefühl idealer Liebe. Machen Sie sich keine Gedanken mehr & ich werde Ihnen alles alles verzeihen & auch glücklich sein, wenn nur Sie wieder glücklich sind. Ich liebe Sie von tief- ster ¢?²Seele und verehre Ihr edles Gemüt & habe es nicht vergessen, wie Sie mir in Stunden des Leids ein tröstender Engel waren. Noch tausend Grüße meinem grausamen Liebchen Albert. Es ist schön von Ihnen daß Sie sich so offen von der Stimme Ihres Herzens leiten ließen. Ich ehre diese That, wenn sie auch arg schmerzt. ALS (SzBHM, Nachlass Familie Winteler, 62823). [95 696]. The envelope [95 697] is addressed in Pauline Einstein’s hand, “Fräulein Mariechen Winteler p. Adr. dH. Prof. Dr. Winteler Aarau. Svizzera.” and postmarked “Milano Ferrovia 24 3 —97 7S[era]” with secondary postmark “Aarau 25.III.[97]. X—Brf. Exp.” [1]Most likely from Marie’s mother, Pauline Winteler. Vol. 1, 33a. To Marie Winteler [Zurich, before 21 May 1897][1] [meh?]rmals hätte ich es […] so unter die Augen z[u] treten, deren Blick mir die […] Schwäche im entsetzlichsten Lich[t] […] Sie können und müssen […] verach- ten als einen unwür[di]g[en] Schwächling, über den Sie sich ganz erhaben fühlen müssen Doch ich beschwöre Sie, sich selbst nicht mit irgend einem Vorwurf zu be- lasten. Ich bitte Sie flehentlich, daß Sie mich wenigstens nicht dessentwillen has- sen, was ich nach Überwindung der ärgsten Kämpfe noch von der elenden
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