D O C U M E N T 5 5 A U G U S T 1 9 2 5 1 0 9 stark im Unklaren. Ich weiss nämlich nicht, was „ausländisches Recht“ ist. Ich war einmal, als ich noch im Senat der K.W. Gesellschaft war, bei einer Sitzung anwe- send (es mag wohl ¾ Jahre her sein), in welcher von dem zu gründenden Institut für „ausländisches Recht“ die Rede war.[3] Ich zweifelte damals nicht daran, dass darunter „im Ausland geltendes Recht“ und nicht „mit Bezug auf das Ausland gel- tendes Recht“ zu verstehen sei. Deshalb kam ich nicht darauf, dass es sich hier um völkerrechtliche Materien handle, wie es nach Ihren Briefen der Fall zu sein scheint.[4] Nach Harnacks Brief scheint es sich um vollzogene Thatsachen zu handeln, an denen nichts zu ändern ist.[5] Ich muss sagen, dass mir diese hiesigen Menschen grosse Rätsel aufgeben mit ihrer Selbstsicherheit, Intoleranz, Brutalität und Bor- niertheit. Aber andererseits habe ich in der übrigen Welt zu wenig tiefgehende Er- fahrungen, um Vergleiche anstellen zu können. Bis zum Beweis des Gegenteils denke ich, dass sie auch nicht besser sind, sondern nur in anderer Art unerfreulich. Deshalb pfeife ich nach Möglichkeit darauf, was sie sagen und thun, ohne jede Bit- terkeit, indem ich freudig im guten Sinne thue was ich kann, ohne auf ihre Reaktion zu achten. Ich bin schon zufrieden, wenn ich hier und da auf einen wohlmeinenden und aufrechten Mann stosse wie Sie einer sind. Beklagen Sie sich nicht darüber, dass Sie von einem sozialen Vakuum umgeben sind denn dies ist das Schicksal al- ler, die weder dumm noch charakterlos sind. Denken Sie nur nicht, dass es bei mir in dieser Beziehung anders ist. Seien Sie mir bitte nicht bös über diese offenherzige Redeweise und empfinden sie dieselbe bitte nicht als arrogant. Es thut so wohl, wenn man sich einmal einem ähnlich Gesinnten und in ähnlicher Situation befindlichen gegenüber aussprechen kann! Seien Sie herzlich gegrüsst von Ihrem A. Einstein P.S. Harnacks Antwort lege ich bei. ALS (GyMüULB, Nachlass Walter Schücking, 1,082). [82 988]. [1]Schücking (1875–1935) was Professor of Law at the Handelshochschule Berlin, member of the Reichstag for the DDP, member of the Deutsche Liga für den Völkerbund and of the Deutsche Frie- densgesellschaft, and German representative on the curatorium of the Hague Academy of Interna- tional Law. [2]Adolf von Harnack (1851–1930) was president of the Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. [3]The Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Its goal was to study international law and the legal systems of foreign countries. In particular, it was to provide an analysis of source materials for scholars, edit and translate major works and treatises of interna- tional law, and aid government and judicial departments in practical matters pertaining to interna- tional law (see Planck 1936, p. 138, and Borchard 1930, p. 588). [4]see Abs. 57 and Abs. 78. [5]A reference to the imminent appointment of Viktor Bruns as director of the planned institute (see Abs. 57).
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