1 9 6 D O C U M E N T 1 1 0 N O V E M B E R 1 9 2 5 Sie betonte nur auf alle meine geäußerten Bedenken, daß sie eben das Experiment riskieren wollten u. daß sie das Gefühl habe, daß Albert bei ihr glücklich würde. Dann nach dem Essen brachte Albert seine, wie soll ich sagen Gschpusi[3] (ab- zuleiten von sponsalia)[4] in’s Hotel. Dann schilderte ich Albert meine sehr ungün- stigen Eindrücke u. redete ihm nochmals zu wie einem kranken Pferd ich erreichte weiter nichts, als daß er nachdenklich wurde u. auf meine direkte Frage, ob er wirk- lich entgegen der Warnungen aller derer, die es gut mit ihm meinten, doch an eine Heirat dächte, sagte er nur, er könne es noch nicht sagen, er wäre sich selbst noch nicht klar. Das ist Alles, was ich erreichen konnte. Mein Eindruck über Frl. Knecht ist der, daß es sich um eine Psychopathin han- delt, die ein krankhaft betontes Ich-Bewußtsein hat. Sie hat entschieden degenera- tive Merkmale (zwerghaften Wuchs u. bereits beginnende Kropfbildung die Schädelbildung auch pathologisch: verhältnismäßig zu groß u. leptosom- schizothymer Typus).[5] Sie war ihrer Sache vollkommen sicher u. hat offenbar das Gefühl, den Albert ganz gängeln zu können. Eine sehr deutliche Sprache ihr gegen- über machte keinen Eindruck. Eher dagegen auf Albert, der heute Früh doch nachdenklich schien und sich wirklich herzlich für alle unangenehmen Dinge, die ich ihm sagte, bei seinem Ab- schied (er ist um 1 Uhr wieder zurück nach Zürich) bedankte. Ich beschwor ihn, mindestens 2 Jahre nach seiner Prüfung[6] noch mit der Heirat zu warten wenn dies gelingt, dann halte ich die Sache für gewonnen, denn dann gehen ihm seine Augen durch die zeitliche u. räumliche Distanz wohl sicher auf aber immerhin es kann auch anders kommen u. das wäre jammerschade um ihn, denn ich glaube nicht, daß es gut gehen wird. Übrigens hat Albert mir auch gesagt, daß er doch nicht nach Kiel gehen wolle,[7] ich vermute, daß hinter diesem Entschluß auch seine entschieden schlechtere Hälf- te der zwar nicht legalen Ehe steckt. Es ist bei Alberts Charakter natürlich falsch, ihn irgendwie energisch beeinflus- sen zu wollen. Das Beste ist wohl, ihm bei jeder Gelegenheit die es giebt, immer wieder zu betonen, daß er sein Schicksal selber in der Hand hat an mir soll es nicht fehlen, ihm das, wenn ich Gelegenheit habe, vorzubeten. Schade, daß ich Ihnen keinen besseren Erfolg melden kann, ich wollte das Beste machen. Übrigens hat Ihr herzlicher Brief an Albert,[8] den er mir zu lesen gab, sehr gut gewirkt. Herzlichst Ihr Anschütz. ALS. Lohmeier and Schell 2005, pp. 208–209. [37 397] [1]Einstein had announced to Mileva Einstein that he had written an urgent letter to Anschütz-
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