2 4 6 D O C U M E N T 1 4 0 D E C E M B E R 1 9 2 5 den Stand der Angelegenheit gehört und würde Ihnen daher sehr dankbar sein, wenn Sie mich mit einem Worte darüber unterrichten wollten. Ich würde auch bit- ten, mir freundlichst mitteilen zu wollen, ob er von dem Wiener Plane etwas wus- ste, damit ich bei meinem nächsten Brief an ihn weiss, ob ich darauf bezug nehmen soll oder nicht. Gestern war Herr Ph. Frank aus Prag hier,[8] und ich habe ihm Rei- chenbach angelegentlich empfohlen. Er will ihn für Prag vorschlagen, wo eine neue Lehrkanzel für Naturphilosophie errichtet werden soll. Der junge Philosoph Carnap,[9] der sich in Wien um die Habilitation beworben hat, und den ich früher Ihrer freundlichen Beachtung empfahl, wird Ihnen inzwi- schen seine gedruckten Schriften zugesandt haben.[10] Einige von diesen haben noch ein paar schwächere Stellen, und ich bitte ihn nicht allein nach den gedruckt vorliegenden Abhandlungen beurteilen zu wollen. Seine neueren Arbeiten, beson- ders das als Habilitationschrift eingereichte Buch „Konstitutionstheorie“, das hof- fentlich im nächsten Jahr gedruckt wird, stehen auf einem sehr hohen Niveau das umfangreiche Buch erscheint mir als eine ganz ausserordenliche, schlechthin grundlegende Leistung.[11] —Herr Reichenbach hat vor kurzem in der „Zeitschrift für Physik“34, S. 32 eine Arbeit „Über die physikalischen Konsequenzen der relativistischen Axiomatik“ publiziert,[12] zu der ich zum Schluss gern einige Bemerkungen machen möchte, weil sie ziemlich deutlich die Grenzen der axiomatischen Methode zu zeigen scheint.[13] Die Ausführungen S. 43 unten ff. sind zwar logisch in Ordnung, zeigen aber m. E. nur, dass bei seiner Axiomatik man zwischen der spez. Rel-theorie und der Lorentzschen Theorie (mit der Kontraktionshypothese) überhaupt keinen Un- terschied finden kann, was mir selbstverständlich erscheint, da die Gleichungen ja in beiden dieselben sind.[14] Der wirkliche Unterschied zwischen beiden Theorien, der eben ein philosophischer und auf dem rein logischen Wege der Axiomatik nicht fassbar ist,[15] wird wohl gerade durch die von Reichenbach verworfene Sprech- weise, es handle sich bei Lorentz um eine ad hoc ersonnene Hypothese, recht tref- fend angedeutet.[16] Denn wenn auch, logisch gesprochen, die spez. Rel-theorie ebenso viele Grundannahmen machen muss, wie die Lorentzsche, so fügen sie sich doch bei der ersteren ganz von selbst in den Rahmen des Relativitätsgedankens ein und die Kontraktionshypothese ist psychologisch tatsächlich nicht ad hoc ersonnen,[17] während sie bei Lorentz-Fitzgerald als ein ad hoc angefügtes Stück auftritt.— Auch die letzten Ausführungen des Aufsatzes—über die mögliche Inter- pretation der Millerschen Versuche—scheinen mir den philosophischen Kern der Sache nicht zu treffen.[18] Wenn durch jene Versuche wirklich bewiesen wäre (was ja gewiss nicht der Fall ist), dass eine bestimmte Richtung (die des „Aetherwin- des“) ausgezeichnet wäre, so würde man gewiss die relativistische Physik aufge- ben, und wenn es auch möglich sein sollte, die Relativität durch Annahme be-
Previous Page Next Page