2 5 2 D O C U M E N T 1 4 5 J A N U A R Y 1 9 2 6 145. To Felix M. Warburg[1] Berlin. 1. Januar 1926 Sehr geehrter Herr Warburg, wie ich von verschiedenen Seiten höre, hegen Sie und Ihre Freunde Bedenken gegen die in der Münchener Sitzung des Kuratoriums der Jerusalemer Universität angenommenen Beschlüsse, die die Verwaltung der Universität neu ordnen.[2] Da ich an der Ausarbeitung jener Beschlüsse stark beteiligt war und durch die Annah- me des Präsidiums die Verantwortung für ihre Durchführung mit übernommen ha- be, fühle ich mich verpflichtet, um jedes Missverständnis über jene grundlegenden Entscheidungen zu verhüten, Ihnen eine kurze Darlegung jener Beschlüsse und der Erwägungen, die zu ihnen geführt haben, zu geben.[3] Wie Ihnen bekannt, wurden in jener Sitzung zunächst die Funktionen des Ge- samtkuratoriums schärfer als bisher definiert. Danach hat das Kuratorium über das Budget und die Finanzierung, die Prinzipien der Verwaltung und der Weiterent- wicklung der Universität sowie über die Berufung der Professoren und Lektoren zu beschliessen, letzteres auf Grund der Empfehlungen des Akademischen Rates. Das Kuratorium hat zwei verwaltende Organe: ein Präsidium, das sein Büro zur Zeit in London hat und eine Exekutive, deren Sitz in Palästina ist. Das Präsidium soll in der Zwischenzeit zwischen den einzelnen Kuratoriumssitzungen die Geschäftsfüh- rung desselben leiten, die Universität nach aussen hin vertreten, den engen Kontakt mit den einzelnen Mitgliedern des Kuratoriums herstellen und schliesslich durch den Akademischen Rat, mit dessen Leitung es eng verbunden wurde, für eine sach- gemässe Vorberatung aller akademischen Fragen, insbesondere der Ernennung, Sorge tragen. Die Exekutive in Palästina hingegen sollte die Beschlüsse des Kura- toriums in Palästina zur Durchführung bringen und alle jene administrativen Funktionen ausüben, die notwendigerweise an Ort und Stelle verwaltet werden müssen. Diese Zweiteilung der Verwaltung erwies sich bei einer nüchternen Prü- fung der gegebenen Verhältnisse als unumgänglich. Nichts wäre meiner tiefsten Ueberzeugung nach verhängnisvoller, als um des verfänglichen Scheinvorteils ei- ner äusseren Vereinfachung willen die oberste Leitung der Universität unter den gegenwärtigen Verhältnissen nach Palästina zu verlegen. Dazu fehlen, wie ich aus eigener Anschauung weiss, zur Zeit noch alle Voraussetzungen. Es fehlen die Männer, die die nötige Erfahrung und das geistige Kaliber besässen, um eine des Gesamtjudentums würdige Universität aufbauen und leiten zu können. Es fehlen noch die wissenschaftliche Atmosphäre und überhaupt die allgemeinen geistigen Voraussetzungen für ein höheres Bildungswesen.[4] So lange aber diese noch nicht vorhanden sind—und gerade die Universität soll dazu verhelfen, sie zu schaffen— muss die geistige Leitung der Universität dort zentriert bleiben, wo gegenwärtig
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