4 9 6 D O C . 3 0 1 C H I L D R E N I N N E E D Kinder in Not! “Die sich häufenden politischen Verurteilungen der letzten Zeit haben in weiten Kreisen des deutschen Volkes lebhafte Beunruhigung hervorgerufen und die Augen Vieler erneut auf das Schicksal der Betroffenen hingelenkt. Es ist nun aber die Tatsache völlig unbekannt, daß die politischen Gefangenen Menschen also, die aus einer Weltan- schauung und nicht aus ehrloser Gesinnung straffällig wurden im Gefängnis durchaus keinen unbezahlten Aufenthalt finden, daß der Staat vielmehr in jedem Falle 1,50 Mark tägliche Haftkosten von ihnen fordert. Die an Unternehmer ver- pachtete, schlecht bezahlte Gefangenenarbeit vermag diese Summe durchaus nicht zu decken und so schuldet der Ge- fangene nach seiner Entlassung die oft erhebliche Differenz dem Staate! Wenn bei der Mittellosigkeit dieser meist den ärmsten Schichten angehörigen Volksgenossen etwaige Pfändung auch fruchtlos verläuft, so ändert das nichts daran, daß der Staat zur Zwangsvollstreckung an seinen ehemaligen Gefangenen jederzeit berechtigt ist! Es ist im ferneren unbekannt, daß die Familien der politischen Gefangenen nur in sehr seltenen Fällen Armenunterstüt- zung erhalten (das Ermessen darüber ist in die Hand der Gemeinde gelegt), und daß die etwa gezahlten Beträge meist rückerstattungspflichtige sind. So darben kinderreiche Familien, denen auf Grund der Staatsordnung der Ernährer genom- men ist, in unsagbarem Elend dahin. Dieser Zustand und seine unbillige Härte scheint uns untragbar zu sein. Die vom staatlichen Standpunkt aus begreifliche Bestrafung der Schuldigen darf nicht länger die Verelendung von Unschuldigen nach sich ziehen, von unbeteiligten Frau- en und hilflosen Kindern! - - Gegen dieses erschütternde soziale Unrecht muß freie Fürsorge großzügig eingesetzt werden. Wir fordern deshalb die ge- samte Oeffentlichkeit auf, mit Geld spenden die beiden Erholungsheime zu unterstützen, in denen die unmündigen Kinder der politischen Gefangenen untergebracht sind: Es sind dies das Kinderheim Elgersburg in Thüringen und das Kinder- heim Worpswede bei Bremen. --- Die alleinige Adresse für Spenden lautet: Kinderheim Barkenhoff, Postscheckamt Ham- burg, Nr. 62764.” Der Aufruf ist unterzeichnet: Gräfin Elsbeth von Arco, Dr. Alfred Döblin, Professor Albert Einstein, Gertrud Eysoldt, S. Friedländer = Mynona, Stefan Großmann, Dr. Lilly Herzberg, Arthur Holitscher, Heinrich Eduard Jacob, Sanitätsrat Dr. Magnus Hirschfeld, Klabund, Siegfried Jacobsohn, Dr. Rudolf Kayser, Gustav Kiepenheuer, Hans Land, Karin Michaelis = Stangeland, Gustav Rickelt, Bankier Hugo Simon, Ferdinand Timpe, Heinrich Vogeler = Worpswede, Professor Hein- rich Zille. Wir werden um die Veröffentlichung des nachstehenden Aufrufs ersucht: [2] [3] [4] [1]
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