D O C U M E N T 4 3 4 D E C E M B E R 1 9 2 6 6 6 7 434. To Eduard Einstein [Berlin,] 17. XII. 26. Lieber Tetel! Die Sprache, die schriftliche ohne zugehörige Grimassen, Töne und Handbewe- gungen, scheint in der Hand eines tolpatschigen Menschen (z. B. ich) ein schlech- tes Instrument zu sein. Sonst hättest Du nicht aus meinem letzten Brief[1] herauslesen können, dass ich unzufrieden gewesen sei mit dem Deinen.[2] Im Ge- genteil freue ich mich immer wieder wie ein Kind mit der Flasche, wenn ein Brief von Dir kommt, weil ich sehe, dass Du Dir über die prinzipiellen Dinge des Lebens den Kopf zerbrichst. In Deinem letzten hast Du ganz recht, dass der Mensch thun muss was er wünscht, und wünschen muss nach seiner Konstruktion. Und doch ist es nichts mit dem Sauherdenideal: wenn man schon nachdenkt über das Wünsch- bare, so darf man doch die Wünsche nicht als gleichwertig behandeln ¢wenn man² Beweis: man fühlt so, wenn man sich in Ruhe leidenschaftslos fragt. In den prinzi- piellen Fragen des Sollens wie in Dingen des Geschmackes lässt sich nichts bewei- sen. Und doch glaube ich, dass es eine Sorte „Wahrheit“ darin gibt, wenn ich auch glaube, dass man diesen Dingen durch Vernunft nicht beikommen kann, wenig- stens in fundamentalen Fragen. So fühle ich, dass eine Erhöhung des Verstehens und eine Vervollkommnung des künstlerischen Seelenausdruckes als am meisten zu erstrebende Dinge aufzufassen sind, auch die Sachen die mit Menschenwürde und Gerechtigkeit zusammenhäng[en.] Und ich merke, dass Du es auch glaubst und nur deshalb es nicht wahr haben willst, weil Du es nicht begründen kannst.— Könnten wir nicht Ostern[3] zusammen kommen? Ich möchte es gern und hätte eine Erholung auch recht nötig. Denn man wird immer älter und die Pflichten wachsen, statt abzunehmen. Es wäre nett, wenn Albert nach Beendigung seines Ex- amens ein wenig hierher käme, um sich auszuruhen.[4] Auch könnte er da Verbin- dungen anknüpfen, die von Wert wären. Wenn er nicht will, braucht er nicht bei mir zu wohnen. Es gibt andere Quartiere für ihn. Sag ihm das. Ich bin oft mit Zangger[5] zusammen und freue mich sehr mit ihm. Er ist so ein sauberer und hellsehender Kerl. Besuche ihn doch, er ist über die Feiertage in Zü- rich. Ich will nun auch endlich für Mamas Kaktus sorgen.[6] Herzliche Grüsse, auch an die beiden andern.[7] Schreib bald wieder Deinem Papa. Denk auch daran, wann wir uns wiedersehen könnten.
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