D O C . 503 O N N E W T O N S M E C A N I C S 785 274 E INSTEIN: N e w t o n s Mechanik und ihr Einfluß auf die Gesta ltung der theoret. Physik. | D i e Naturwissenschaften gilt. Den Begriff der Kraft übernimmt er aus der bereits hoch entwickelten Statik. Verknüpfung von Kraft und Beschleunigung sind ihm nur mög- lich durch Einführung des neuen Begriffes der Masse, der allerdings merkwürdigerweise durch eine [3] S chein definition gestützt wird. Wir sind heute so ge- wöhnt an die Bildung von Begriffen, die Diffe- rentialquotienten entsprechen, daß wir kaum mehr ermessen können, was für ein bedeutendes Ab- straktionsvermögen dazu gehörte, um durch einen doppelten Grenzübergang zum allgemeinen Dif- ferentialgesetze der Bewegung zu gelangen, wobei noch der Begriff der Masse erfunden werden mußte. Damit war aber noch lange kein kausales Er- fassen von Bewegungsvorgängen gewonnen. Denn durch die Bewegungsgleichung war ja die Be- wegung nur dann bestimmt, wenn die Kraft ge- geben war. Ne w t o n hatte, angeregt durch die Ge- setzmäßigkeiten der Planetenbewegung, den Ge- danken, daß die auf eine Masse wirkende Kraft bestimmt sei durch die Lage aller Massen, welche sich in hinreichend geringer Entfernung von der betrachteten Masse befinden. Erst wenn dieser Zusammenhang bekannt war, war eine restlose kausale Erfassung von Bewegungsvorgängen ge- wonnen. Wie Ne w t o n ausgehend von den K EPLERschen Gesetzen der Planetenbewegung diese Aufgabe für die Gravitation löste und so die Wesenseinheit der auf die Gestirne wirkenden be- wegenden Kräfte und der Schwere auffand, ist allgemein bekannt. Erst die Gemeinschaft (Bewegungsgesetz) + (Attraktionsgesetz) macht das wunderbare Gedankengebäude aus, welches aus dem zu einer Zeit herrschenden Zu- stande eines Systems die früheren und die späteren Zustände zu berechnen gestattet, insoweit die Vorgänge unter der Wirkung der Gravitations- kräfte allein stattfinden. Die logische Geschlossen- heit des N e w t o n schen Begriffsystems lag darin, daß als Ursachen der Beschleunigung der Massen eines Systems nur diese Massen selbst auftreten. Auf Grund der skizzierten Basis gelang es N e w t o n , die Bewegungen der Planeten, Monde, Kometen bis in feine Einzelheiten zu erklären, ferner Ebbe und Flut, die Präzessionsbewegung der Erde, eine deduktive Leistung von einzigartiger Großartigkeit. Besonders wunderbar mußte auch die Erkenntnis wirken, daß die Ursache der Be- wegungen der Himmelskörper identisch ist mit der uns aus der alltäglichen Erfahrung so geläu- figen Schwere. Die Bedeutung von Ne w t o n s Leistung lag aber nicht nur darin, daß sie eine brauchbare und logisch befriedigende Grundlage für die eigentliche Mechanik schuf, sondern sie bildete bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts das Programm jeg- lichen theoretisch-physikalischen Forschens. Alles physikalische Geschehen sollte zurückgeführt wer- den auf Massen, die N e w t o n s Bewegungsgesetz unterworfen sind. Lediglich das Kraftgesetz mußte erweitert, dem in Betracht kommenden Typus des Geschehens angepaßt werden. N ew t o n selbst ver- suchte eine Anwendung dieses Programms in der Optik, indem er das Licht als aus trägen Korpuskeln bestehend voraussetzte. Auch die Optik der Un- dulationstheorie bediente sich des NEWTONschen Bewegungsgesetzes,nachdem dasselbe auf konti- nuierlich verbreitete Massen angewendet wurde. Auf N e w t o n s Bewegungsgleichungen allein stützte sich die kinetische Theorie der Wärme, welche nicht nur die Geister für die Erkenntnis des Gesetzes der Erhaltung der Energie vorbereitete, sondern auch eine in ihren feinsten Zügen bestätigte Theorie der Gase und eine vertiefte Auffassung des Wesens des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik lieferte. Auch die Lehre von Elektrizität und Ma- gnetismus entwickelte sich bis in die moderne Zeit ganz unter der Leitung NEWTONscher Grund- ideen (elektrische und magnetische Substanz, Fernkräfte). Sogar die FARADAY-MAXWELLsche Umwälzung der Elektrodynamik und Optik, welche den ersten großen prinzipiellen Fortschritt der Grundlagen der theoretischen Physik seit Ne w t o n bedeutete, vollzog sich noch ganz unter der Füh- rung NEWTONscher Ideen. Ma x w e l l , Bo l t z - ma n n , Lo rd K e l v in wurden nicht müde, immer aufs neue zu versuchen, die elektromagnetischen Felder und deren dynamische Wechselwirkungen zurück- zuführen auf mechanische Vorgänge kontinuierlich verteilter hyperthetischer Massen. Aber unter dem [4] Einfluß der Fruchtlosigkeit oder doch mindestens Unfruchtbarkeit jener Bemühungen vollzog sich seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts all- mählich ein Umschwung der Grundanschauungen, ein Hinauswachsen der theoretischen Physik aus dem NEWTONschen Rahmen, welcher der Wissen- schaft fast zwei Jahrhunderte lang Halt und ge- dankliche Führung gab. N e w t o n s Grundprinzipien waren vom logischen Standpunkt derart befriedigend, daß der Anstoß zu Neuerungen aus dem Zwange der Erfahrungs- tatsachen entspringen mußte. Bevor ich darauf eingehe, muß ich betonen, daß Ne w t o n selbst die seinem Gedankengebäude anhaftenden schwachen Seiten besser kannte, als die folgenden Gelehrten- generationen. Dieser Umstand hat stets meine ehr- fürchtige Bewunderung erregt ich möchte deshalb ein wenig dabei verweilen. 1. Trotzdem man allenthalben das Streben N e w - t o n s bemerkt, sein Gedankensystem als durch die Erfahrung notwendig bedingt hinzustellen und mög- lichst wenig auf Erfahrungsgegenstände nicht un- mittelbar beziehbare Begriffe einzuführen, stellt er den Begriff des absoluten Raumes und den der absoluten Zeit auf. Man hat ihm dies in unserer Zeit öfter zum Vorwurf gemacht. Aber gerade in diesem Punkte ist N e w t o n besonders konsequent. Er hatte erkannt, daß die beobachtbaren geometri- schen Größen (Abstände der materiellen Punkte voneinander) und deren zeitlicher Verlauf die Be- wegungen in physikalischer Beziehung nicht voll- ständig charakterisieren. An dem berühmten Eimerversuch beweist er diesen Umstand. Es gibt [5]
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