D O C . 503 O N N E W T O N S M E C A N I C S 787 276 v. L a u e : A u s N e w t o n s O ptik. [D ie Natur- wissenschaften malen Sinne der Feldtheorie den Weg bereitet. Die Anwendung von N e w t o n s Mechanik auf die kontinuierlich verteilten Massen führte nämlich mit Notwendigkeit zur Entdeckung und Anwendung der partiellen Differentialgleichungen, welche ihrer- seits erst die Sprache für die Gesetze der [12] F eld theorie lieferten. Auch in dieser formalen Be- ziehung bildet N e w t o n s Konzeption des Differen- tialgesetzes den ersten entscheidenden Schritt der folgenden Entwicklung. Die ganze Entwicklung unserer Ideen über das Naturgeschehen, von welcher bisher die Rede war, können als eine organische Fortbildung N e w t o n - scher Gedanken aufgefaßt werden. Aber während die Durchbildung der Feldtheorie noch im vollen Gange war, offenbarten die Tatsachen der Wärme- strahlung, der Spektren, der Radioaktivität usw. eine Grenze der Brauchbarkeit des gesamten Gedankensystems, die uns heute noch trotz gi- gantischer Erfolge im einzelnen schier [13] u nüber steigbar erscheint. Nicht ohne gewichtige Argu- mente behaupten viele Physiker, daß diesen Tat- sachen gegenüber nicht nur das Differentialgesetz, sondern selbst das Kausalitätsgesetz bisher das letzte Grundpostulat aller Naturwissenschaft versage. Selbst die Möglichkeit einer raumzeit lichen Konstruktion, welche dem physikalischen Geschehen eindeutig zugeordnet werden könne, wird geleugnet. Daß ein mechanisches System nur diskreter Energiewerte bzw. Zustände dauernd fähig sei, wie die Erfahrung sozusagen direkt zeigt, scheint zunächst aus einer Feldtheorie, die mit Differentialgleichungen arbeitet, kaum ableitbar zu sein. Die d e BROGLIE-SCHRÖDINGERsche Me- thode, welche in gewissem Sinne den Charakter einer Feldtheorie hat, deduziert zwar auf Grund von Differentialgleichungen aus einer Art Resonanz- betrachtung die Existenz nur diskreter Zustände und deren Übergänge ineinander in verblüffender Übereinstimmung mit Erfahrungstatsachen, aber sie muß auf eine Lokalisierung der Massenteilchen und auf streng kausale Gesetze verzichten. Wer wollte so vermessen sein, heute die Frage zu ent- scheiden, ob Kausalgesetz und Differentialgesetz, diese letzten Prämissen NEWTONscher Natur- betrachtung, definitiv verlassen werden müssen? Aus Newtons Optik1). Von M. v. L a u e , Berlin. [14] Wenn heutzutage von I s a a k N e w t o n s Leistun- gen die Rede ist, denkt jeder zunächst an seine Me- chanik, die 200 Jahre die Physik völlig beherrscht hat und selbst jetzt, da man in mehr als einer Richtung ihre Grenzen kennt, für die meisten Probleme der Physik, für die ganze Astronomie (mit einem Ausnahmefall) und für die gesamte Technik ausreicht. Erst in zweiter Linie steht uns seine „Optik“ , obwohl sie man denke an das gewiß unverdächtige Zeugnis G o e t h e s ein Jahr- hundert mächtigere Wirkung ausgeübt hat, als jede andere Schrift über Licht und Farbe. Der Grund dafür liegt auf der Hand. N e w t o n hat sich der Wellenlehre des Lichtes nicht angeschlossen. Sein Zeitgenosse C h r i s t i a n H u y g e n s steht unserem Denken in vieler Hinsicht näher. Aber doch läßt sich kurz und präzis eine Großtat in der Lehre vom Licht nennen, ohne welche die heutige Optik un- möglich wäre, und die wir zweifellos N e w t o n und ihm allein verdanken. Wir meinen den Beweis für die Existenz einer unendlichen Mannigfaltigkeit homogener, durch ihr Verhalten bei der Brechung zahlenmäßig zu kennzeichnender Lichtarten, die auch in der Zusammensetzung mit anderen ihre Eigenschaften unverändert bewahren. Das ist uns freilich so geläufig, daß wir uns fast be- sinnen müssen, was daran zu entdecken war. Von der Bedeutung der Tat überzeugt aber schla- gend der Zustand der Optik vor N e w t o n und ihre Aufnahme durch die Zeitgenossen. 1) Alles Historische an der folgenden Plauderei stammt aus F e r d in a n d Ro s e n b e r g e r s Werk: Is a a k N e w t o n und seine physikalischen Prinzipien", Leipzig 18 95. Wie sah es vor N e w t o n in der Optik aus? Seit Anfang des 17. Jahrhunderts besaß man eine elementare geometrische Optik, beruhend auf der gradlinigen Fortpflanzung des Lichtes, dem Spiege- lungs- und Brechungsgesetz, der seit 1665 un- angeschlossen G r i m a l d i s Beobachtung der Beu- gung gegenüberstand. Auf Grund dieser Optik baute man aus Linsen optische Instrumente, aber ohne chromatische Korrektur, da deren Notwendig- keit nicht bekannt war. In Verkennung der Ver- hältnisse suchte man die Verbesserung der Abbil- dung gelegentlich auf dem heute wieder modernen Wege der nichtsphärischen Linsen. Daneben stand ungelöst das uralte Problem der Farbe. Zwar hatte man sich seit Anfang des siebzehnten Jahrhunderts in der Physik von A r i s t o t e l e s frei gemacht, doch spukte dessen Mischung von Licht und Finsternis zu einer Farbe noch häufig in den einschlägigen Gedankengängen. Was an einer Farbenempfindung dem betrach- teten Körper, was dem ihn treffenden Licht, was dem Auge zuzuschreiben sei, darüber herrschte größte Unklarheit. Liest man, was 1665 B o y l e 1), der wohlbekannte Erforscher der Gasgesetze, darüber schreibt, so versteht man R o s e n b e r g e r s Spott: „Trotz aller Farben habe dieses Gebiet in absolutem Dunkel gelegen.“ Ansätze zur Wellenoptik gab es schon vor N e w t o n s erstem Auftreten. R o b e r t Hoo ke, sieben Jahre älter als er, ein Mann von wohlver- dientem Rang und Ansehen, wenngleich einem N e w t o n nicht ebenbürtig, hatte 1665 in seiner „Micrographia“ eine wellentheoretische Erklärung 1) rosenberger a. a . O .: S . 4 2.
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