2 6 V O L . 1 5 , D O C U M E N T 1 8 J U L Y 1 9 2 5 Vol. 15, 18. To Maja Winteler-Einstein[1] Berlin 12. VII. 25 Liebe Schwester! Lang lang ists her, dass ich Dir nicht geschrieben habe, und doch bist Du neben meinen Buben[2] meine einzige Privatkorrespondenz, und die mit letzteren ist auch nicht viel lebhafter wie mit Dir. Denn sie haben mich in diesem Punkte beerbt. Ich habe indirekt von Euerm Leben gehört durch Leute die bei Euch waren, und gottseidank nur Erfreuliches. So eine Art Robinson a deux—abgesehen von den Pensionären. Mein Leben ist nach aussen hin auch nicht mehr so lebhaft wie in den Jahren der Sturmflut der Relativität. Aber es ist voll konzentrierter Arbeit, und die Geselligkeit ist auch von Dir aus gesehen ein ganzer Haufen. Ich habe wieder ein sehr schönes Problem gelöst—wenigstens den Anfang—und bin nun ganz fest an der weiteren Bearbeitung.[3] Nächster Tage kommen meine Buben, mit denen ich nach alter Sitte nach Kiel gehe. Albert macht dort Praxis in der Anschütz-Fabrik.[4] In Südamerika wars eine grosse Hetz, fast nicht zum dermachen.[5] So was thu ich nicht mehr, schad für die Nervenkraft. Aber die Seereise war prächtig und die bra- silianische Küste mit dem märchenhaften Wald und dem Menschengemisch und der Sonnenglut. Ich hab nun zuhause etwas wie ein kleines ethnographisches Mu- seum, das Schönste und Liebste von Japan. Das ist ein Volk mit einer tiefen, zarten Seele, im Kontrast zu Südamerika Argentinien, das ganz banal und ordinär wirkt. Überall habe ich für die zionistische Sache gewirkt und bin von den Juden mit un- beschreiblicher Herzlichkeit aufgenommen worden. Dagegen haben mich in Bu- enos Aires die Deutschen boykottiert. Sonderbar wie sich die menschlichen Dinge zugespitzt haben. Ich bin nun wieder in der Völkerbundskommission.[6] Hier hat man mir das zuerst sehr krumm genommen, aber allmählich gewöhnen sich die Kerle doch an den Gedanken, in den Völkerbund einzutreten.[7] Die Geschehnisse seit der Hindenburg-Wahl haben hier ungemein ernüchternd und sanierend ge- wirkt, da man sieht, dass alle mit Wasser kochen müssen.[8] Ich habe nicht übel Lust, einmal incognito hinunterzufahren und Euch auf Eu- rem Schloss aufzusuchen. Margot[9] denken wir im Herbst hinunterzuschicken, die Euch eigentlich mehr bieten kann als ich nüchterner alter Knabe. Sei mit Pauli[10] herzlich gegrüsst von Deinem Albert.