74 D O C . 25 M E S S A G E F O R L I E B E R M A N N A L B E R T E I N S T E I N reudige Bejahung des Lebens, das Sie mit scharfen Augen gesehen, mit frohem Humor erhellten und mit feinen Fingern und unversiegbarer Emsigkeit künst- lerisch gestaltet haben. Sauber, aufrecht, stolz und zu keinen Kompromissen geneigt, dabei kein Pathos, kein Verehrung heischendes Piedestal, sondern immer Mensch, der mit allem Lebendigen und Unbelebten sozusagen sich duzt. Darf ichs sagen? Nun, Sie haben mit so vielen andern ja auch mich konterfeit also ist diese bescheidene Revanche durch das farblose W ort wohl erlaubt. Frohen Sinn zum Feste dem Meister! M A X J. F RI ED L Ä N D E R er als Achtziger seine Überlegenheit immer wieder durch neue Schöpfungen beweist und sich grünenden Ruhmes erfreut, nicht eines Ruhmes, der leere Hülle und Konvention geworden ist: er muß über eine Kunstbegabung von ungemeiner Tiefe verfügen und über einen Charakter, der in Wechselwirkung mit der Kunstbegabung das orga- nische Gedeihen begünstigt. Leicht ist es, Ruhm zu erwerben, schwerer, ihn zu wahren. Leicht ist es, als Dreißiger Auf- sehen zu erregen, schwer, als Achtziger nicht ver- worfen zu sein. Jene Sprecher der öffentlichen Meinung, die heutzutage, mehr als Mäzene und Liebhaber, die Kränze verteilen, sind neubegierig, undankbar und vergeßlich. Sie wollen ihre Macht betätigen, indem sie täglich krönen und entthronen. Uberdies fürchten sie nichts so sehr wie, mit Hinz und Kunz einer Meinung zu sein. Nachdem nun Hinz und Kunz begriffen haben, daß Liebermann ein Meister ist, sind die Geistreichen nur allzu geneigt, anderer Meinung zu sein. Die Königs- macher haben Geschichte studiert und den Ent- wicklungsgedanken soweit mißverstanden, daß sie an Fortschritt in der Kunst glauben. Sie urteilen über Kunstwerke wie über Automobile. Nach ihrer Vorstellung treten in regelmäßigem Ablaufe neue Kunstformen auf, wodurch die alten erledigt werden. Liebermann hat seinen schwersten Kampf bestanden nicht damals, als er Aufmerksamkeit erregte und sein Talent zu Geltung brachte, viel- mehr nachher und dauernd, als er gegen Neid und Sensationsgier sich zu wehren und seinem Schaffen gegen modische Strömungen immer aufs neue Achtung zu erzwingen hatte. Liebermann ist kultiviert und selbstbewußt in der Welt der Gedanken, aber naiv und bescheiden vor den sichtbaren Dingen. Er ist nicht veraltet, weil die Natur nicht veraltet und keine Fort- schritte macht -— , der sich selbstvergessen hinzu- geben er nie aufgehört hat. 37° Published in Liebermann 1927, p. 370. [1]Liebermann (1847-1935) was a German-Jewish painter. [2]Dated by the fact that Liebermann turned eighty on 20 July 1927.
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