84 D O C U M E N T 33 ON R E L I G I O S I T Y 10 ALBERT EINSTEIN / GELEGENTLICHES trotzdem die mechanistische Kausalität von der modernen Wissenschaft bis zu einem gewissen Grade in Zweifel ge- stellt wird. Meine Religiosität besteht in einer demütigen Bewunderung des unendlich überlegenen Geistes, der sich in dem wenigen offenbart, was wir mit unserer schwachen und hinfälligen Vernunft von der W irklichkeit zu erken- nen vermögen. Moral ist eine höchst wichtige Sache, aber für uns, nicht für Gott. [3] MOTIVE DES FORSCHENS (AUS EINER REDE ZU PROF. P’s 60. GEBURTSTAG) Zunächst glaube ich mit Schopenhauer, daß eines der stärk- sten Motive, die zu Kunst und W issenschaft hinführen, eine Flucht ist aus dem Alltagsleben mit seiner schmerzlichen Rauheit und trostlosen Öde, aus den Fesseln der ewig wech- selnden eigenen Wünsche. Es treibt den feiner Besaiteten aus dem persönlichen Dasein heraus in die W elt des ob- jektiven Schauens und Verstehens es ist dies Motiv mit der Sehnsucht vergleichbar, die den Städter aus seiner ge- räuschvollen, unübersichtlichen Umgebung nach der stillen Hochgebirgslandschaft unwiderstehlich hinzieht, wo der weite Blick durch die stille, reine Luft gleitet und sich ruhi- gen Linien ansehmiegt, die für die Ewigkeit geschaffen schei- nen. Zu diesem negativen Motiv aber gesellt sich ein positi- ves. Der Mensch sucht in ihm irgendwie adäquater W eise ein vereinfachtes und übersichtliches Bild der W elt zu ge- stalten und so die W elt des Erlebens zu überwinden, indem er sie bis zu einem gewissen Grade durch dies Bild zu er-
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