D O C U M E N T 9 5 L O R E N T Z A N D C O O P E R AT I O N 1 8 3 95. Hendrik A. Lorentz’s Activities in Behalf of International Cooperation H. A. Lorentz’ Thätigkeit im Dienste der internationalen Zusammenarbeit. [Berlin, after 30 November 1927][1] Bei der weitgehenden Spezialisierung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit, die das 19. Jahrhundert mit sich gebracht hat, ist es selten geworden, dass einzelne Männer, die in einer Wissenschaft eine führende Stellung innehaben, noch die Kraft finden, der Gemeinschaft auf dem Gebiete der internationalen Organisation und Politik wertvolle Dienste zu leisten. Es gehört dazu nicht nur Arbeitskraft, Ein- sicht und durch Leistungen begründetes Ansehen sondern auch eine in unserer Zeit selten gewordene Unabhängigkeit von nationalen Vorurteilen und Hingabe an die gemeinsamen Ziele aller. Ich habe keinen kennen gelernt, der alle diese Eigen- schaften in so vollkommener Weise in sich vereinigte wie H. A. Lorentz. Das Wunderbare an dem Wirken dieser Persönlichkeit aber liegt im Folgenden. Selbstständige und eigenwillige Persönlichkeiten, wie sie besonders unter den Ge- lehrten vorkommen, beugen sich nicht gerne fremdem Willen und lassen sich meist nur widerwilligungern führen. Sitzt aber Lorentz auf dem Präsidentenstuhl, dann bildet sich stets eine Atmosphäre freudigen Zusammenwirkens aus, mögen die Menschen, die da zusammen sitzen nach Absicht und Denkweise auch noch so ver- schieden sein. Das Geheimnis dieses Erfolges liegt nicht nur in dem raschen Erfas- sen von Menschen und Dingen, in der wunderbaren Beherrschung der Sprache sondern vor allem darin: man fühlt, dass Lorentz ganz in dem Dienste der Sache aufgeht und bei der Arbeit ganz von dem Bedürfnis zu dienen erfüllt ist. Nichts ent- waffnet den Widerspenstigen so wie dies. Vor dem Kriege beschränkte sich Lorentz’ Thätigkeit im Dienste der internatio- nalen Beziehungen auf das Präsidieren bei physikalischen Kongressen. Insbeson- dere sind da die Solvay-Kongresse zu nennen, deren erste beide in den Jahren 1909 und 1912 in Brüssel stattfanden.[2] Dann kam der europäische Krieg, der für alle, denen der Fortschritt der menschlichen Beziehungen im Grossen am Herzen lag, den denkbar schwersten Schlag bedeutete. Schon während des Krieges und noch mehr nach Beendigung desselben stellte Lorentz sich in den Dienst des internatio- nalen Versöhnungswerkes. Insbesondere galten seine Anstrengungen der Wieder- herstellung eines gedeihlichen und freundschaftlichen Zusammenwirkens der
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