D O C U M E N T 2 0 3 M AY 1 9 2 8 3 3 3 203. To Chaim Weizmann Berlin, den 29. Mai 1928. Lieber Herr Weizmann! Ich möchte Sie bitten, wenn das Kuratorium zur Beratung der Ernennung des akademischen Oberhauptes gelangt, wie vereinbart, in unserer beider Namen die Wahl des Herrn Prof. Brodetsky vorzuschlagen.[1] Ich bin nach langem Nachden- ken über die Frage und nachdem ich mich auch bemüht habe, sonst Umschau nach einem geeigneten Kandidaten zu halten, zu der Ueberzeugung gekommen, dass wir keinen besseren Mann als ihn für diesen verantwortlichen Posten finden können. Diese Ueberzeugung hat sich in den Besprechungen, die ich mit ihm über die Frage des Lehrprogramms und des Weiterausbaus der Universität gehabt habe, sehr be- deutend vertieft.[2] Ich habe aus diesen Besprechungen einen sehr starken Eindruck von seinem gründlichen Verständnis der Probleme des Aufbaus einer Universität gewonnen. Was mir am wesentlichsten erscheint, ist, dass er Prinzipien hat und darum weiterbauen kann denn das kann weder der Dogmatiker noch der Dilet- tant[3]Er wird die realen Bedürfnisse der wachsenden Situation zu erkennen, sie aber auch richtig abzuschätzen wissen, und er wird bei vollem Eingehen auf die Er- fordernisse des Augenblicks die Richtlinien der grossen Entwicklung der Univer- sität sicher und konsequent durchsetzen. Ich habe mich bemüht, in dem Brief an das Kuratorium darzulegen,[4] dass wir für diesen Posten keinen blossen grossen Namen brauchen, sondern einen kompetenten Arbeiter, der die Probleme der aka- demischen Universitätsverwaltung aus praktischer Erfahrung kennt, das Bildungs- problem des jüdischen Palästina gründlich versteht und der die Eignung und den Willen hat, eine Reihe von Jahren seine besten Kräfte dem akademischen Aufbau der Universität zu widmen. Nach allen diesen Richtungen hin scheint mir Prof. Brodetsky als der richtige Mann. Das Prestige der Universität, darüber sollen wir uns nicht täuschen, wird schliesslich doch nicht davon abhängen, ob ein grosser Name an der Spitze steht, sondern davon, dass von allen Beteiligten ernste und ach- tunggebietende wissenschaftliche Arbeit geleistet wird, und darum muss unser Streben allein darauf gerichtet sein, die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Gesamtleistung zu schaffen, die die Universität würdig macht, das jüdische Volk geistig zu repräsentieren. Die wesentliche Voraussetzung hierfür aber ist, dass ein Mann dort sitzt, zu dem wir einerseits das Vertrauen haben können, dass er die Din- ge versteht und dass er das Kuratorium sachkundig orientiert und vorbereitet und dass er dessen Beschlüsse umsichtig und loyal durchführt, und der andererseits ge- willt ist, den Hauptteil seiner Arbeitskraft dieser administrat. Thätigkeit zu wid- men. Ich glaube, dass Prof. Brodetsky diesen Bedingungen genügt, und darum empfehle ich dem Kuratorium seine Wahl. Ihr sehr ergebener A. Einstein.