4 2 6 D O C U M E N T 2 7 0 S E P T E M B E R 1 9 2 8 270. To Else Buddeberg[1] [Scharbeutz,] 23. IX. 1928. …Ich…war entzückt von der Meisterschaft der Disposition und des Stiles und von der Schärfe der Schlüsse.[2] Und doch kann ich nicht behaupten, völlig über- zeugt worden zu sein. Es gibt ein schwer definierbares geistiges Bedürfnis, das z. B. durch die katholische Religion (besonders durch den Ritus) merkwürdig gut be- friedigt wird, ein Bedürfnis halb künstlerischer halb die Weltanschauung betreffen- der Art. Ich glaube, dass ein Dorf durch die Wegnahme des religiösen Ceremoniels eine wirkliche Verarmung erlitte. Mann sieht es in protestantischen Gegenden, wel- che durch Luthers Dickköpfigkeit dieser Verarmung anheim gefallen sind. Freud ist trotz seines wunderbaren Stiles ein an künstlerischem Gefühl armer Mensch, deshalb fühlt er die Lücke nicht. Aber vielleicht liesse sich das von Freud gerügte, das Denken Einengende und Verkrüppelnde aus dem Komplex herauslösen, ohne das künstlerisch Belebende zu zerstören. Dies wäre das eigentliche Problem. Freud ist taub gegen die Sphärenmusik, die manches geistig kleine Menschlein zu hören vermag, und ohne die es nicht leben könnte… Ihr A. Einstein. ALSf (J. A. Stargardt Auction Catalog 698, 5–6 June 2012, lot 343). [76 934]. [1] Buddeberg-Riemann (1890–1974) was a German jurist and friend of Elsa Einstein. [2] Buddeberg had given Einstein Freud 1927, a copy of which is in Einstein’s personal library (see J. A. Stargardt Auction Catalog 698, 5–6 June 2012, lot 343).
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