5 0 0 D O C U M E N T 3 3 1 D E C E M B E R 1 9 2 8 331. From Pascual Jordan Hamburg 36, den 11. 12. 1928 Sehr verehrter Herr Professor Einstein! Vielen herzlichen Dank für Ihren freundlichen, ausführlichen Brief! Ich wußte ja, daß Ihnen die a-priori-Statistik stets unheimlich gewesen ist, es war mir aber neu und sehr lehrreich, Ihre Ansichten in so ausführlicher und präziser Formulierung kennen zu lernen. Was mich betrifft, so muß ich freilich gestehen, daß ich doch nicht gern den Glauben an die a-priori-Statistik aufgeben möchte wofür ich sicher- lich, wenn auch nicht Ihre physikalische Zustimmung, so doch jedenfalls Ihr menschliches Verständnis finden werde.[1] Wenn ich meine Meinung von dem in- neren Sinn der Sache andeuten sollte, (so würde ich freilich nicht gerne sagen, daß der liebe Gott für die Elektronen würfelt [2] sondern ich sagte lieber: Er erlaubt dem Elektron, sich jeweils selbst zu entscheiden.) Vom lieben Gott stammten also mei- ner Meinung nach unmittelbar nur die den Elektronen anerschaffenen unveränder- lichen Charaktereigenschaften und aus diesen ergeben sich statistische Gesetze gerade deshalb, weil jedes einzelne Elektron völlig frei und unabhängig von den andern seine Entscheidungen trifft. Diese Vorstellungsweise scheint mir ganz besonders in biologischer Beziehung naheliegend, ich glaube, daß in den Organismen wirklich gesetzmäßige Abwei- chungen vom anorganischen Verlauf der physikalischen Reaktionen eintreten, die man in ganz primitiver Weise etwa so kennzeichnen kann, daß die zu einem leben- den Individuum gehörigen Atome bzw. Elektronen in gewissem Maße ihre sonst statistisch ungeordneten Entschlüsse in einander anpassen.— Was die erkenntnistheoretische Grundlage betrifft, so bin ich übrigens gleich- falls sehr radikal und revolutionär gestimmt. Es scheint mir kein logischer Ausweg vorhanden davor, in konsequentester Fortführung der Machschen Ideen die unmit- telbare Empfindungs- und Erlebnisgesamtheit als die eigentlich gesicherte „Realität“ und alles andere als symbolische Konstruktion zu ihrer logisch einfa- chen Beschreibung anzusehen.[3] Ich habe über diese Fragen eigentlich mehr nach- gedacht, als über die ganze Physik, und glaube, daß die bekannten scheinbaren Unmöglichkeiten einer solchen radikalen Auffassung bei wirklich konsequenter Durchführung sich von selber auflösen.— Ich hoffe, im Februar oder März einmal nach Berlin zu kommen, und freue mich darauf, mich Ihnen bei dieser Gelegenheit hoffentlich persönlich vorstellen zu kön- nen. Mit vielen freundlichen Grüßen bin ich Ihr aufrichtig ergebender P. Jordan
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