D O C U M E N T 3 8 6 J A N U A R Y 1 9 2 9 5 6 9 386. From Max von Laue Zehlendorf, 29. 1. 29. Lieber Einstein! Bieberbach[1] ist in den letzten Zeiten auffallend höflich gegen mich. Unter die- sen Umständen könnte es am Ende doch noch in diesem Semester gelingen, mich von der Professur zu befreien und mir eine andere Stellung zu verschaffen. Mir läge außerordentlich viel daran! Ich bin doch nur deswegen nach Berlin gekommen, um vom Lehramt, das ich als das größte Unglück von jeher empfunden habe, befreit zu werden.[2] Sonst hätte ich es doch an jeder anderen Universität leichter, wie hier. Herrn Windelband[3] habe ich neulich eine Andeutung in derselben Richtung ge- macht, die er verstanden haben muß. Ich kann nur immer wieder versichern, daß ich, hätte ich noch mein Vermögen, mich längst selbst von der Professur befreit hätte. Denn in den Zeiten, in denen ich allein und unbehelligt in meinem Bootshaus am Starnberger See saß, habe ich doch etwas leisten können.[4] So gut bekomme ich es natürlich nie wieder. Aber der Staat und die Kollegen sollten doch soviel für den Fortschritt der Wissenschaft übrig ha- ben, daß sie meine Kraft nicht gänzlich brach liegen lassen. Und sie liegt jetzt brach, weil meine armen Nerven zur Bewältigung aller der äußerlichen Tätigkeit, die sich hier zusammendrängt, nun einmal nicht ausreichen. Aber statt sachlicher Gesichtspunkte spielen in allen Berufungsfragen ja immer persönliche Motive die ausschlaggebende Rolle, und in meinem Fall, das weiß ich doch nur zu gut, kommt noch dazu niedrigster, nur durch eine Häufung von Vertrauensbrüchen ermöglich- ter Klatsch. Gibt es denn Niemand, der einmal mit dem berechtigten Zorn dazwi- schen fährt und den ganzen Dreck auskehrt? Bitte sprich die Sache doch einmal mit Planck durch. Mit herzlichem Gruß Dein M. Laue TLS. [16 045]. [1] The professor of mathematics Ludwig Bieberbach was dean of the Philosophical Faculty of the University of Berlin as of fall 1927 (see Hashagen 2010, p. 261). [2] Laue had been Professor of Physics at the University of Würzburg before moving to the Univer- sity of Berlin in 1919. [3] Wolfgang Windelband (1886–1945), a historian, was at the time personnel manager in the Prus- sian Ministry of Education (see also Doc. 3 for Laue’s professional aspirations). Laue and Windel- band had both attended the Protestantisches Gymnasium in Strasbourg (see Laue 1952, p. vii). [4] The wealth in question was a family allowance that Von Laue relied on for his subsistence. The family’s fortune was seriously devalued owing to severe inflation in World War I. Laue reminisced that he had written his monograph on relativity in 1910 “in einem kleinen Bootshaus, das am Ufer des herzoglichen Parks in Feldafing auf Pfählen in Wasser des Starnberger Sees stand… So gut habe ich es nie wieder getroffen.” (Laue 1952, p. xx).
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