20.
"My Opinion
on
the War"
[23
October-11 November
1915][1]
Meine
Meinung
über den
Krieg.[2]
[p.
1]
Die
psychologische
Wurzel
des
Krieges liegt
nach meiner Ansicht in einer
biologisch begründeten aggressiven Eigenart
des männlichen
Geschöpfes.
Wir
"Herren
der
Schöpfung"
sind nicht die
einzigen,
welche
sich
dieses
Kleinods rühmen
dürfen;
wir werden vielmehr
in diesem Punkte
von man-
chen
Tieren,
z.
B.
vom
Stier und
vom
Hahn noch erheblich übertroffen. Diese
aggressive
Tendenz macht sich überall
geltend,
wo
einzelne Männer neben
einander
gestellt
sind,
noch viel mehr aber
dann,
wenn
verhältnismässig eng
geschlossene
Gesellschaften mit einander
zu
thun haben. Diese
geraten
mit-
einander fast unfehlbar in
Streitigkeiten,
die in Zank und
gegenseitigen
Mord
ausarten,
wenn
nicht besondere
Vorkehrungen getroffen
sind,
um
solche
Vor-
kommnisse
zu
verhüten. Ich werde nie
vergessen,
mit
welch
blutigen
ehr-
lichen Hass meine
gleichalterigen Schulgenossen
gegen
die ABC-Schützen
einer
in
einer benachbarten
Strasse
gelegenen
Schule durch Jahre hindurch
empfanden. Unzählige
Raufereien
fanden
statt,
bei denen
es
manches Loch in
den
Köpfen
der
Knirpse
absetzte. Wer
möchte
zweifeln,
dass Blutrache und
Duellwesen diesem Gefühl entstammen? Ich meine
sogar,
dass
die bei
uns so
sorgfältig gepflegte
Ehre
von
ihm ihre
Hauptnahrung
erhält.
Die
neueren
staatlichen
Organisationen
haben
begreiflicherweise
die Aes-
serungen
der
primitiven
virilen
Eigenart
stark
in
den
Hintergrund drängen
müssen.
Aber
wo
zwei
Staatengebilde
nebeneinander
liegen,
die nicht
einer
übermächtigen
Organisation
angehören,
schafft
jenes
Gefühl
von
Zeit
zu
Zeit
in
den Gemütern
jene
ungeheure Spannung,
die
zu
den
Kriegskatastrophen
führt. Dabei halte ich die
sogenannten
Ziele und Ursachen der
Kriege
für
ziemlich
belanglos;
sie finden sich
stets
wenn
die Leidenschaft ihrer bedarf.
Die feinen Geister aller Zeiten
waren
darüber
einig,
dass der
Krieg
zu
den
ärgsten
Feinden der menschlichen
Entwicklung gehört,
dass alles
zu
seiner
Verhütung gethan
werden
müsse.
Ich bin auch
trotz
der
unsagbar traurigen
Verhältnisse der
Gegenwart
der
Uberzeugung,
dass eine staatliche
Organisa-
tion in
Europa,
welche
europäische Kriege
ebenso ausschliessen
wird,
wie
jetzt
das deutsche Reich einen
Krieg
zwischen
Bayern
und
Württemberg,
in
nicht allzu ferner
Zeit sich
erreichen
lassen wird. Kein
Freund
der
geistigen
Previous Page Next Page