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14. On the Need for a National Assembly
[13 November
1918][1]
Genossen und
Genossinen![2]
Gestatten Sie einem alten Demokraten, der nicht hat umlernen müssen, einige
wenige Worte.
Unser aller Ziel ist die Demokratie, d. i. Herrschaft des Volkes. Sie ist nur mög-
lich, wenn der einzelne zwei Dinge heilig hält, nämlich
den Glauben an das gesunde Urteil und den gesunden Willen des Volkes
die willige Unterordnung unter den ázum Beschluss erhobenenñ durch Abstim-
mung und Wahl bekundeten Volkswillen, auch wenn dieser Volkswille mit dem
eigenen persönlichen Willen oder Urteil im Widerspruch ist.
Wie gelangen wir zu diesem Ziel? Was ist schon erreicht? Was muss noch
geschehen?[3]
Die alte Klassenherrschaft ist beseitigt. Sie fiel durch die eigenen Sünden und
durch die befreiende That der Soldaten. Der von áihnenñ diesen rasch gewählte
Soldatenrat ákannñ im Verein mit dem Arbeiterrat muss vorläufig als Organ des
Volkswillens aufgefasst
werden.[4]
Wir sind diesen Behörden also in dieser kriti-
schen Stunde unbedingten Gehorsam schuldig und müssen sie mit allen Kräften
stützen. á,mögen wir [nun] im Einzelnen deren Entschliessungen billigen oder
nicht.ñ
Andererseits müssen alle wahren Demokraten darüber wachen, dass die alte
Klassen-Tyrannei von rechts nicht durch eine Klassentyrannei von links ersetzt
werde. Lasset Εuch nicht durch Rachegefühle zu der verhängnisvollen Meinung
verleiten, dass Gewalt durch Gewalt zu bekämpfen sei, dass eine vorläufige
Diktatur des Proletariats nötig sei, um Freiheit in die Köpfe der Volksgenossen
hinein-zuhämmern.[5]
Gewalt erzeugt nur Erbitterung, Hass und Reaktion.
áWir müssen daher von der jetzigen Diktatur-Behörde, deren Weisungen wir uns
willig fügen müssen, unbedingt verlangen, dass sie ohne Rücksicht auf irgend
welche Partei-Interessen unverzüglich die Wahl der gesetzgebenden Versammlung
vorbereite, damit möglichst bald alle Befürchtungen neuer Tyrannei zerstreut wer-
den. Erst wenn diese Versammlung einberufen ist und ihre Aufgabe befriedigend
gelöst hat, kann das deutsche Volk mit Befriedigung sagen, dass es sich die Freiheit
errungen
hat.[6]
Rückhaltslose Anerkennung gebührt unseren jetzigen sozialdemokratischen
Führern. Im stolzen Bewusstsein der werbenden Kraft der von ihnen vertretenenen
Gedanken haben sie sich bereits für die Einberufung der gesetzgebenden
Versammlung entschlossen. Damit haben sie gezeigt, dass sie das demokratische
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