D O C . 3 4 A S S I M I L AT I O N A N D A N T I - S E M I T I S M 2 9 1
charakterisiert. Sie ist nicht geeignet, das Ansehen des jüdischen Volkes in den Au-
gen der nichtjüdischen Welt zu erhöhen, ausserdem ist sie auch nutzlos und
moralisch
fragwürdig.[10]
Eine andere Methode der Abwehr des Antisemitismus,
deren sich zuweilen auch Juden bedienen, die noch nicht mit allem Jüdischen
gebrochen haben, besteht darin, dass sie zwischen Ost- und Westjuden einen schar-
fen Trennungsstrich
ziehen.[11]
Alles Uebel, das man den Juden als Gesamtheit
nachsagt, wird auf die Ostjuden abgeschoben und damit natürlich als eine wirklich
bestehende Tatsache zugegeben. Der Erfolg dieses nicht bloss schlechten, sondern
auch törichten Vorgehens ist selbstverständlich ein ganz gegenteiliger. Die Antise-
miten denken nicht daran, zwischen Ost- und Westjuden so genau zu unterschei-
den, wie dies manche Westjuden wünschen, sie fassen diese sonderbare Abwehr als
Eingeständnis auf und bezichtigen überdies—diesmal nicht ganz mit Unrecht—die
betreffenden Westjuden des Volksverrats. Es fällt nicht schwer, im Allgemeinen
wie in Einzelfällen nachzuweisen, dass die meisten Westjuden im Grunde garnichts
anderes sind, als ehemalige Ostjuden, ebenso wie umgekehrt
Entsprechendes[12]
für alle Ostjuden überhaupt gilt. Und da es sich ja den Antisemiten hauptsächlich
um den Nachweis solcher jüdischer Mängel und Laster handelt, die nicht in weni-
gen Generationen zu erwerben sind, sondern die sich in der ganzen Geschichte des
jüdischen Volkes angeblich immer wieder nachweisen lassen, erscheint der Rück-
schluss von den Ostjuden auf die Westjuden logisch gerechtfertigt.—Hiebei bleibt
ganz ausser Betracht, dass im östlichen Judentum, wie auch oft von nicht gerade
judenfreundlicher Seite zugegeben wird, eine reiche Fülle der schönsten menschli-
chen Begabungen und produktiven Kräfte schlummert, die mit der höheren Zivili-
sation der Westjuden einen Vergleich wohl aushalten
kann.[13]
Die Aufgabe der Juden kann nicht sein, sich durch Beschuldigung irgendeines
Teiles ihres Volkes von den Antisemiten „Straffreiheit“ zu erwirken. In dieser Auf-
fassung liegt eine arge Verkennung des Rechtes und der Bedeutung des Antisemi-
tismus, dessen Anmassung einer Richterrolle über das jüdische Volk wir niemals
anerkennen werden. Wir Juden fühlen selbst am besten die Fehler unseres Volkes
und wir allein sind berufen und in der Lage, sie zu verbessern. Dies kann jedoch
nur dann geschehen, wenn wir unserer jüdischen Pflicht folgen, die uns vor-
schreibt, das Judentum stets als lebendige Einheit zu empfinden und in einigem
Zusammenstehen aller Teile für die jüdische und menschliche Zukunft unseres
Volkes zu
wirken.[14]
TD. [36 625]. The document consists of five pages, all but the first of which are numbered. The pre-
sentation of the page numbers
here—in
the margin in square
brackets—departs
from that in the orig-
inal, where page number “2” appears typed at the head of the page and the subsequent numbers are
added at the head of the respective pages in an unknown hand. There are perforations for a loose-leaf
binder at the left margin of the document. Emendations are in Einstein’s hand and in that of an un-
known individual. Einstein’s handwritten changes are noted.
[p. 5]