4 4 2 D O C . 6 1 O N R E P O R T E R S
61. On Reporters
[10 August
1921][1]
Einstein und die Interviewer
Einem Privatbriefe von Prof. Einstein entnehmen wir folgende amüsante
Partie.[2]
Wenn man öffentlich zur Rechenschaft gezogen wird für alles was man gesagt
hat, sei es auch im Spass, in übermütiger Laune oder im momentanen Aerger, so ist
es zwar eventuel fatal, aber doch bis zu einem gewissen Grad vernünftig und natür-
lich. Wenn man aber öffentlich zur Rechenschaft gezogen wird für das, was andere
für einen sagen, ohne dass man sich dagegen wehren kann, dann ist man in einer
erbarmungswürdigen Lage. „Wer ist aber so schlimm dran“, wirst du fragen: Nun,
jeder der genügend Popularität hat, um von Interviewern besucht zu werden. Du
lächelst ungläubig, aber ich habs zur Genüge erlebt und werde Dirs
erklären.[3]
Stelle Dir vor, eines Morgens kommt ein Reporter zu Dir und ersucht Dich
freundlich, ihm etwas über Deinen Freund N zu berichten. Im ersten Augenblick
fühlst Du wohl so etwas wie Entrüstung über eine solche Zumutung. Aber schnell
merkst Du, dass es da kein Entrinnen gibt. Denn wenn Du die Auskunft verwei-
gerst, schreibt der Mann: „Ich fragte einen von N.’s besten angeblichen Freunden
über ihn. Aber dieser wich wohlweislich aus. Der Leser mag aus diesem Verhalten
selbst die unvermeidlichen Schlüsse ziehen.“ Es gibt also kein Entrinnen, und Du
gibst folgende Auskunft:
Herr N. ist ein frohmütiger gerader Charakter, beliebt bei allen seinen Freunden.
Er weiss jeder Situation die gute Seite abzugewinnen. Er ist unbegrenzt unterneh-
mend und arbeitsam; sein Beruf nimmt seine Arbeitskraft voll in Anspruch. Er liebt
seine Familie und legt seiner Frau alles zu Füssen, was er besitzt. . . . . . . .
Wiedergabe des Reporters:
Herr N. nimmt nichts besonders ernst und hat die Gabe, sich bei den Leuten be-
liebt zu machen, zumal er sich stets eines ausgelassenen und einschmeichelndes
Wesen befleissigt. Er ist dermassen Sklave seines Berufes, dass er nie zum Nach-
denken über überpersönliche Gegenstände oder zu einer ausserberuflichen geisti-
gen Bethätigung kommt. Seine Frau verwöhnt er unbegrenzt, er ist ein willenloser
Diener ihrer Wünsche. . . . .
.[4]
Bei einem wirklichen Reporter würde es noch viel pikanter klingen, aber für
Dich und Deinen Freund N. ist es wohl ausreichend. Er liest Obiges und noch
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