I M P R E S S I O N S O F A M E R I C A 6 2 9
Unter diesen Umständen halte ich mich für verpflichtet, etwas über meine wirklichen
Erlebnisse zu erzählen, wenngleich es mir sonst auch widerstrebt, in dieser Art vor die Oef-
fentlichkeit zu treten.
Was mich am meisten erfüllt, wenn ich an Amerika zurückdenke, ist das Gefühl der
Dankbarkeit für den warmen und herzlichen Empfang, den ich bei allen Fachgenossen, Be-
hörden und Privatleuten gefunden habe. Ich habe an der Universität Princeton-Chicago, an
zwei New Yorker Universitäten, an der Columbia-Universität, im College of the City in
New York Vorlesungen gehalten und überall großes Interesse und tiefe Sachkenntnis bei
den dortigen Fachgenossen gefunden. Besonders muß ich anerkennen, daß man nichts da-
bei fand, daß ich deutsch sprach. In der rührendsten Weise bemühten sich alle, die mit mir
sprachen, dies auch deutsch zu tun. Alle, die Verbindungen mit Deutschland haben, spra-
chen davon und erwähnten die wissenschaftlichen Bande, die sie an Deutschland knüpften.
Sehr empört bin ich über die Aeußerung, die man mir über das amerikanische Publikum
in den Mund gelegt hat. Daß das sensationelle Interesse für die Relativitätstheorie, welches
sich im großen Publikum zeigt, zum großen Teil auf einer Art Mißverständnis beruht, ist
wohl sicherlich wahr. Aber dies gilt nicht nur für das amerikanische Publikum, sondern
ebenso gut für unser deutsches,“ fügte Professor Einstein schmunzelnd nach einer Pause
hinzu. „Es liegt eine eigentümliche Ironie darin,“ fuhr er fort, „daß viele Menschen glau-
ben, daß die antirationalistische Tendenz unserer Lage an der Relativitätstheorie eine Stütze
finde. Es handelt sich hier um eine strenge nüchterne Theorie, deren Verständnis aber kei-
neswegs nur einem »Kreis Auserwählter« zugänglich ist, sondern einem jeden denkfähigen
Menschen, der die nötigen Vorkenntnisse besitzt und einige Mühe auf ihr Studium verwen-
det.“
Wenn es vielleicht wahr ist, daß das amerikanische Publikum weniger gelehrt ist, als das
deutsche, so habe ich anderseit die Begeisterungsfähigkeit, die Energie und die Opferwil-
ligkeit kennengelernt, mit der eine als gut anerkannte Idee von weiten Kreisen des Volkes
aufgenommen wird.
Als in der Unterhaltung das Wort Zionismus fiel, schaltete Prof. Einstein lebhaft ein:
„Wenn ich an die Wärme denke, mit welcher in Amerika von Juden und Christen das zio-
nistische Ideal aufgenommen und unterstützt worden ist, wie hochgestellte Beamten und
Politiker durch öffentliche Reden der Sache dienten, bin ich von Bewunderung und Dank-
barkeit für dieses vorurteilslose und jugendfrisch empfindende Volk erfüllt, und ich kann
nicht leugnen, „das ist schwer auszudrücken,“ flocht er humorvoll ein, „daß mich eine leise
Wehmut beschleicht, wenn ich all dies mit unseren Verhältnissen vergleiche.“
Wenn ich so aus der Vogelperspektive auf alle Erlebnisse, die ich in Amerika gehabt ha-
be, herabsehe und sie mit denen meines sonstigen Lebens vergleiche, so fällt mir die
schlichte Kameradschaftlichkeit und harmlose gesellige Art der Amerikaner auf, die von
dem müden Skeptizismus und vom Raffinement der Persönlichkeit frei sind. Das gestaltet
das tägliche Leben einfacher und erfreulicher.
Große Freude habe ich an den amerikanischen Studenten gehabt. Die Universitäten sind
in vielen Fällen Internate. Sie bieten durch die Kameradschaft zwischen Studenten und Pro-
fessoren eine Bild froher Harmonie. Bei uns findet man vielleicht unter den Studenten mehr
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