DOCUMENT 130
OCTOBER
1915 185
130. To
Heinrich
Zangger
[Berlin]
Freitag.
[15
October
1915][1]
Lieber
Freund
Zangger!
Der
Druckbogen,
welchen
Sie
mir
sandten, gefällt
mir
gut;
nicht
übertrieben ab-
strakt
und
doch
genügend allgemein.[2]
Seit ich
hier
bin,[3]
habe ich
sehr
fest auf
meiner Bude
gearbeitet.
Es ist
mir
nun
leider klar
geworden,
dass die
"neuen
Ster-
ne“
nichts mit der
"Linsenwirkung“
zu
thun
haben,
dass ferner letztere mit Rück-
sicht
auf
die
am
Himmel vorhandenen Stemdichten
ein
so ungeheuer
seltenes Phä-
nomen
sein
muss,
dass
man
wohl
vergeblich
ein solches erwarten
würde.[4]
Ich
schrieb eine
ergänzende
Arbeit
zu
meiner
letztjährigen Untersuchung
über
die all-
gemeine
Relativität.[5]
Gegenwärtig
arbeite ich
etwas
in Wärmetheorie.[6]
Dagegen
habe ich mit dem
Experiment
noch nicht
begonnen.
Warburg
ersuchte
mich,
dass
ich
einige Tage
warte.[7]
Von den
Kollegen
sehe ich
keinen,
da die
Akademie noch
nicht
angefangen
hat[8]-ich
denke noch mit Wonne
an
die Zeiten
schweizerischer
Schnabelfreiheit zurück.
...
Das schwere
Unglück
in der
Bielersee-Gegend, von
dem Sie
mir
schrieben,
hat
mich sehr erschüttert. Sie
klagen
über die
gedankenlose
Art,
mit
der
die Menschen
das
Unheil
herankommen
lassen.[9]
Viel
ärger
ist
es
aber,
wenn
Dinge,
die im
Brennpunkt
der menschlichen Aufmerksamkeit
stehen,
eben dadurch
zum
Un-
glück
werden!
Es freut mich
sehr,
dass mein
Junge
zu
Ihnen
gekommen
ist.
Fragen
Sie ihn
doch,
ob
er
meinen
ausführlichen Brief
nicht erhalten
hat;
ich fürchte
es
fast,
weil
ich keine Antwort erhielt.
Heute
versuche ich
es
noch einmal. Wenn ich
aber
sehe,
dass die Frau alle meine
Bemühungen,
mit
dem
Jungen
in
Fühlung zu bleiben, ver-
eitelt,
werde ich doch
auf
dem rechtlichen
Wege erzwingen,
dass der
Junge
jedes
Jahr
einen
Ferienmonat
bei
mir
zubringt.
Nur
so
wird
er
das Gefühl
verlieren,
dass
er
seinen Vater
verloren habe.
Ich kann
überhaupt
nicht
begreifen,
dass sie
es
nicht
für
ihre Pflicht
hält,
mir
den
Jungen
zeitweise
zu
überlassen. Ich habe
deutlich
ge-
merkt,
dass
es
Albert
und
seiner Mutter
vor
anderen
unangenehm
war,
dass ich in
Zürich
war
und
nicht bei ihnen
gewohnt
habe.[10]
Das
begreife
ich.
Aber
eben dar-
um
wäre
es richtig, wenn
der
Junge an
einem andern Orte mit mir beisammen
wäre,
wo
nicht die Rücksicht
auf
das
Gespräch
der
Menschen störend dazwischentritt.
Ich freue mich
sehr,
bis ich Sie bei mir
empfangen
kann. Sie haben mirs doch
ziemlich sicher in Aussicht
gestellt,
dass Sie kommen. Jetzt haben Sie aber in kei-
nem
Briefe mehr
etwas
davon erwähnt.
Herzlichen Gruss
von
Ihrem
Einstein.
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