4 4 D O C U M E N T 2 9 A P R I L 1 9 1 9
Aber es ist natürlich sehr bequem, die, so Vielen so unbequeme „Philosophie des
Als-Ob“ damit abzutun, dass man sie in das grosse Fach des Pragmatismus hinein-
legt, der ja so leicht widerlegbar ist.
Dagegen ist die „Phil. des Als-Ob“ wenn man sie für sich nimmt, wie es sein
muss, durchaus nicht so leicht widerlegbar, wie denn auch Study meine Aufstellun-
gen über die Natur der mathematischen Begriffe durchaus nicht zu widerlegen
vermochte. Die Begriffe: Punkt Linie Fläche, vor allem aber der Begriff des Infini-
tesimalen sind widerspruchsvolle Gebilde. Die neueren Mathematiker haben zwar
versucht, diese Begriffe zu rationalisieren, und sie behaupten, es sei ihnen auch ge-
lungen aber in ihren anscheinend rationalen Definitionen stecken die alten Wider-
sprüche in versteckter Form.
Sie erinnern sich, dass ich Sie im October bat sich an den neuen „Annalen der
Philosophie“ als führender Mitherausgeber Ihres Faches zu
beteiligen.[5]
Sie glaub-
ten diese Beteiligung als Titel-Mitherausgeber ablehnen zu müssen, aber Sie stell-
ten mir doch in gütige Aussicht uns eventuell einmal einen Beitrag zu liefern. Sie
haben ja nun unterdessen auch den von mir begründeten und noch mit herausgege-
ben „Kantstudien“ einen Beitrag in Aussicht gestellt, und so darf ich hoffen, dass
Sie auch der jüngeren Zeitschrift, den „Annalen der Philosophie“ Ihr Wohlwollen
zuwenden werden.
In diesem Sinne darf ich Ihnen gleichzeitig das definitive Programm dieser neu-
en Zeitschrift vorlegen, aus dem Sie auch gleichzeitig ersehen, dass, ausser [6] Phi-
losophen im engeren Sinne, sich 8 Vertreter der einzelnen Fachwissenschaften uns
angeschlossen
haben.[6]
Es ist ja eben unser Bestreben, die philosophischen Werte
die in den Fachwissenschaften stecken, herauszuholen und herauszulocken, und so
die bis jetzt fehlende Verbindung zwischen den Fachwissenschaften und der Philo-
sophie herzustellen. Das ist ein ganz neues Programm, wie es bis jetzt [n]och keine
philosophische Zeitschrift aufgestellt hat.
Auf dem Prospekt, den ich Ihnen gleichzeitig sende, finden Sie auch die Inhalts-
angabe des ersten Bandes, und ersehen daraus zunächst vorläufig den reichen In-
halt des ersten Jahrganges.
Gerne würde ich Ihnen ein Exemplar dieses ersten Bandes der wegen der politi-
schen Wirren erst jetzt erscheinen konnt[e] überreichen, aber ich weiss noch nicht,
ja zweifle fast daran, ob mein Verleger in der Lage sein wird, mir ein Frei-Exemplar
für Sie zur Verfügung z[u] stellen. Die Verhältnisse auf dem Büchermarkt sind ja
jetzt ganz
verzweifelte.[7]
Vielleicht haben Sie unterdessen die Musse gefunden trotz der schrecklichen
Weltereignisse sich mit der „Philosophie des Als-Ob“ etwas vertraut zu machen.
Sie werden dann selbst beurteilen können, wie wenig richtig es ist, meine Richtung
mit dem Pragmatismus zusammen zu werfen. Gern würde ich hören, dass Ihre
Previous Page Next Page