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Ich werde in den nächsten Tagen mit meiner
Frau[3]
nach Paris reisen, um ihre
Schwester zu besuchen, und wir gedenken uns auf der Rückreise einige Zeit in
Brüssel aufzuhalten. Ich werde also Gelegenheit haben, mit verschiedenen Perso-
nen zu sprechen, in Frankreich mit Fachgenossen, in Belgien mit den Herren Sol-
vay, Heger,
Tassel[4]
und einigen anderen. Speziell denke ich an Prof. Massart, der
vor einigen Jahren an die 93 deutschen Gelehrten und Künstler die, leider so gut
wie unbeantwortet gebliebene Forderung gestellt
hat,[5]
die Initiative zu einer Un-
tersuchung wie die von Ihnen ins Auge gefasste zu nehmen. Ich hoffe ihn jetzt dazu
bereit zu finden, die Ausführung des Planes zu fördern. Vielleicht—aber das muss
ich von den Umständen abhängen lassen—werde ich auch versuchen können, mich
mit Vertretern der Geistlichkeit und der Freimaurerei in Verbindung zu setzen; Sie
wissen, dass auch von diesen Kreisen Aufforderungen an die Deutschen, ähnlich
wie die des Herrn Massart, ausgegangen
sind.[6]
Ferner denke ich an Prof. Noyons
in Löwen; er ist Holländer und hat vieles mit erlebt, da er die ganze Kriegszeit über
in Löwen
war.[7]
Auch kann es nützlich sein, dass ich andere meiner Landsleute von der Angele-
genheit in Kenntnis setze und zu Rate ziehe.
Jedenfalls, wer es auch sein möge, mit dem ich die Sache bespreche, es wird nö-
tig sein, Ihren Namen zu nennen; dabei werde ich selbstverständlich für Ihre abso-
lute Wahrheitsliebe und für die Rechtschaffenheit Ihrer Gesinnung einstehen.
Mit Holländern würde ich konfidentiell sprechen können, aber es würde nicht
angehen, Andere um Geheimhaltung zu bitten.
Es wäre mir nun sehr lieb, von Ihnen zu hören, ob es Ihren Wünschen entspricht,
dass ich in dem angegebenen Sinne wirke, eine Frage, bei deren Beantwortung ich
Sie bitte, das oben von der deutschen Regierung gesagte zu berücksichtigen. Da ein
Brief mich hier nicht mehr erreichen kann und Sie mir wohl nicht nach Paris schrei-
ben können, so bitte ich, an de Haas in Delft zu
telegraphieren;[8]
er wird mir dann
mitteilen was er von Ihnen hört. Sie werden wohl nichts dagegen haben, dass ich
ihm im Vertrauen sage um was es sich handelt. Sie könnten ihm auch schreiben,
aber mit Rücksicht auf die langen Verzögerungen würde ich, wenn Sie Ihre Mei-
nung in kurzen Worten aussprechen können, eine Depesche vorziehen. Wie Sie
wissen giebt es in Delft noch einen zweiten de
Haas.[9]
Die Adresse meines
Schwiegersohnes ist: „Rotterdamsche Weg“
——————
Ich hoffe sehr, dass es Ihnen persönlich gut gehen möge und dass Sie aus der
Schweiz gute Nachrichten bekommen. Die traurigen Verhältnisse, in denen Sie
jetzt leben müssen, sind, wie ich fürchte, Ihrer Gesundheit schädlich; möge es Ih-
nen möglich sein, im Sommer einige Erholung zu geniessen, und sagen Sie mir, bit-
te, in Ihrem nächsten Briefe etwas von Ihrem
Befinden.[10]