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heraus. Für meine große Apparatur und meine vielen eigenen Apparate, Werkzeu-
ge und Material war das jedesmal eine Arbeit von 8 Tagen und länger, bis alles wie-
der im Gang war.
Das stört mich jedoch wenig, wenn ich dafür völlig freie Hand in der Wahl und
Ausführung der Arbeiten habe, wie es hier der Fall ist. Ich bin keineswegs Eigen-
brödler. Im Gegenteil, keiner von den hiesigen Herren fragt und erkundigt sich so
oft nach diesem und jenem wie ich. Auch lasse ich die Herren immer völlig an mei-
nen Gedankengängen und Arbeitsfortschritten teilnehmen und suche dabei Anre-
gung. Allerdings bin ich auch der einzige, der sich auf dem Gebiete der
Röntgenstrahlen und der Kristallforschung betätigt.
Ich fürchte, hochverehrter Herr Professor, daß Ihre Bemühungen, für mich,
wenn auch nur ausnahmsweise, an der Reichsanstalt eine Tätigkeit zu schaffen, die
ungefähr dem entspricht, was ich hier besitze und hoch in Ehren halte, vergeblich
sein würden, denn die Reichsanstalt ist nun einmal nicht als Forschungsinstitut ge-
gründet worden und jede Durchbrechung der Statuten würde den andern Beamten
ein Anlaß sein, für sich gleichfalls Ausnahmen zu verlangen aus irgendwelchen an-
dern Gründen. Diese Bedenken bestehen in jedem streng organisierten Institut und
die Herren, die unter solchen Bedingungen ihr Leben verbracht haben und sich den
Statuten selbst wohl oder übel haben fügen müssen, werden kaum geneigt sein,
Ausnahmen anzuerkennen. Daran ändert auch die Revolution nichts, solange sie
nicht die Geister revolutioniert.
Wenn Sie es trotzdem versuchen wollen, mir eine Ausnahmestellung zu ver-
schaffen, so kann ich Ihnen garnicht genug dafür danken. Es wäre ja ideal, wenn
sich eine solche Stellung, wie ich sie hier habe, aber mit Bezahlung, in der Reichs-
anstalt ermöglichen ließe.
Um meine Gehaltsansprüche zu nennen, müßte ich die Gehälter der Reichsan-
stalt kennen. Das ist jedoch nicht der Fall. Ich kann mich daher so ausdrücken, daß
ich soviel beanspruchen möchte, wie ein Beamter nach 12-jähriger Tätigkeit dort
im allgemeinen bekommt.
Auf die Rangfragen lege ich, wie ich schon sagte, keinen Wert, falls daraus
Schwierigkeiten erwachsen sollten. Statt dessen aber möchte ich frei forschen kön-
nen und geistig ebenso unabhängig mein Ziel nach eigenem Ermessen verfolgen
dürfen, wie ein Beamter mit 12 Dienstjahren auch.
Man kann ja zur Zeit nicht übersehen, was aus alle unseren Instituten einmal
wird, wenn wir etwa auf dem wirtschaftlichen Niveau wie Rußland oder Serbien
vor dem Kriege angekommen sind. Aber es erscheint mir sicher, daß mit manchen
strengen Vorschriften gebrochen werden muß, um alle Kräfte zur Entfaltung brin-
gen zu können. Eine Zentralisation und Zusammenlegung der Forschungsstätten
auf Kosten der Lehrinstitute wird sich da wohl nicht vermeiden lassen.
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