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95. To Joseph Petzoldt
[Berlin,] 23. VIII. [1919]
Lieber Herr Kollege!
Ich glaube auch, dass nur eine mündliche Auseinandersetzung wirklich Klarheit
schaffen
kann.[1]
Ich bitte Sie also, bald (nach telephonischer Verabredung) zu mir
zu kommen. Sachlich einstweilen folgendes: Ich weiss natürlich sehr wohl, dass es
nach der Rel-Theorie starre Körper nicht geben
kann.[2]
Man kann aber mit Vorteil
so operieren, wie wenn es welche gäbe; d. h. es handelt sich um eine Idealisierung,
die bei gewissen Betrachtungen widerspruchsfrei angewendet werden
kann.[3]
In
diesem Sinne sind die Betrachtungen meines Briefes zu
verstehen.[4]
Sie haben den Radius der rotierenden „starren“ Kreislinie zu Unrecht gleich
gesetzt. Denn der allein materialisiert gedachte Umfang verkürzt sich wegen Lor-
entz-Transformation. Anders wäre es, wenn Radien, nicht aber die tangentialen
Verbindungen ihrer Endpunkte materialisiert gedacht
würden.[5]
Was Sie über Periperie-Massstäbe und -Uhren sagen, ist ganz
unhaltbar.[6]
Es
handelt sich da um ungerechtfertigte Übertragung von Sätzen der speziellen Rela-
tivitätstheorie auf (relativ zu den Inertialsystemen) beschleunigte Bezugssyste-
me.[7]
Freundlich und Schlick haben hier unbedingt
recht.[8]
Nach Ihrer Schlussart
könnte man ebensogut folgern, dass jeder Lichtstrahl sich relativ zu einem beliebig
rotierenden System gradlinig ausbreiten müsse etc. Ihr Missverständnis ist ein ganz
fundamentales. Ich hätte noch viel zu sagen, aber mündlich geht es viel leichter in
Rede und Gegenrede.
Mit besten Grüssen Ihr
Einstein.
AKS (GyBTU, Pe 40-3). Thiele 1971, pp. 73–74. [19 072]. The verso is addressed “Herrn Prof. Dr.
J. Petzoldt Wröhmännerstr 6 Spandau.”
[1]This letter continues the discussion in Docs. 77 and 93.
[2]The main points raised in Petzoldt’s nonextant letter to which the present is a reply might not be
far from the notes Petzoldt outlined for Doc. 93 (“Zu Einsteins Brief vom 19. 8. 19.,” GyBTU, Pe 40-
2a, [19 069.1]). In them, Petzoldt compared the rotating disk to a mollusk that cannot be broken by
setting it in rotation, i.e., he realized the untenability of the classical notion of a rigid body in the the-
ory of relativity. See also note 4 to Doc. 93.
[3]At this point in the original text Einstein indicates a phrase he has appended at the foot of the
page: “Genaueres mündlich.”
[4]Doc. 93.
[5]In his notes to Doc. 93, Petzoldt expressed a difficulty in understanding how can undergo
contraction while moving perpendicularly to its length. This was in response to Einstein’s remark in
Doc. 93 that the circumference of a rotating disk would correspond to a different Euclidean radius
than that disk actually has.
[6]In his notes to Doc. 93, Petzoldt asked what an observer can notice when co-moving with the
rotating disk and gave the answer: nothing but the centrifugal force. In Doc. 93 Einstein had shown
that the rotating observer can deduce, from the fact that clocks on different parts of the disk measure
time differently, that his frame is noninertial.
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