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261. From Paul Oppenheim
[Frankfurt a. Main,] 14. I. 20.
Meine lieben Freunde,
So wie ich mich aus der seelischen Kriegslast zu Ihnen zu flüchten pflegte, so
schliesse ich mich in meinem väterlichen Geschäft in ein Zimmerchen
ein,[1]
um
Ihnen zu schreiben, fühle, wo allein mein Denken sich glücklich gefesselt sieht,
fühle andrerseits die nüchterne Last der Tradition, fühle erneut den Zwiespalt zwi-
schen Pietät und Drang zur Wissenschaft, fühle wieder, wie schwer es ist, zwischen
zwei gleich grossen Idealismen zu wählen, die inkommensurabel sind. So geht
einstweilen der Kompromiss in Form jener zeitlichen Alternationen weiter, für die
meine Flucht in das Zimmerchen Symbol ist, bis ich von aussen her zu einer Lö-
sung gedrängt werde, zu der Buridans Esel nicht den Weg
findet.[2]
Aber nicht davon wollte ich sprechen, sondern von Ihrer lieben Sendung, die mir
unendliche Freude bereitete.— Indessen weiss ich nicht, womit ich beginnen
soll.— Und doch giebt es keinen Zweifel für den, der sich mit Stolz ein bischen
Freund nennen darf: Es ist der Gedanke an Ihre Frau Mutter, lieber Herr Professor,
dass sie unter der hingebenden Mithilfe Ihrer treusorgenden Frau, der Sie Ihre Ge-
nesung verdanken, doch mehr Erleichterung finden möge, als Sie zu hoffen
wagen.[3]
— Und nun tausend Dank für die Briefe mit ihrer Gesinnung, für das
Bild, das—weil unretouchierte Natur—uns besonders wert ist, für das Buch, wel-
ches so gut gewählt ist, und durch die Widmung den Eltern ebenfalls eine, kaum
von Ihnen geahnte Freude
macht.[4]
Wir haben Thränen über die Silhouetten ge-
lacht, besonders über die des Dichters, die glänzend ist, und beweist, dass er nicht
nur der Welt, sondern auch sich selbst gegenüber, das richtige, dem speziellen Fall
entsprechendste Bezugssystem zu finden weiss. Nun giebt es also auch eine „Ein-
stein Transformation“, sie gestattet den Übergang vom 3- zum 2dimensionalen Ge-
bilde, und ist mir so viel verständlicher, als jede andere!
Doch ich will keine Bierreden halten, sondern—so wenig es mir liegt, darüber
weitere Worte zu machen—den guten Freundlich in Schutz nehmen: Da er weiss,
dass mich alles interessiert, was Ihre Arbeiten und Person betrifft, erzählte er u. a.
von der Albert Einstein-Spende. Ich wollte, ich könnte Ihnen den Brief zeigen, aus
dem eher das Gegenteil der Beitragserwartung hervorging. Gerade daher meine
Gebefreudigkeit.[5]
Sie wissen, es hätte mich bedrückt, hätte ich da gefehlt; wer
weiss, ob ich es später noch so kann. So haben wir denn hier wieder den Fall, wo
im Grunde das Egoismus ist, was als Altruismus erscheint. Nur wäre es mir noch
lieber gewesen, einen persönlicheren Verwendungszweck für Sie gefunden zu ha-
ben; berücksichtigen Sie das bitte bei der Verfügung.—
Giebt es keine Möglichkeit, uns im Sommer irgendwo am dritten Platz zu tref-
fen, ohne Ihre Erholung zu beeinträchtigen durch all zu viel wissenschaftliche