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Seine und seiner Schüler in den letzten Jahren ausgeführten Untersuchungen an
sehr kleinen Teilchen, welche an der Existenz eines elektrischen Elementar-Quan-
tums Zweifel entstehen liessen, haben mit Recht das lebhafteste Interesse aller
Physiker auf sich gezogen und sind bis heute unwiderlegt
geblieben.[2]
Ich kann
aber doch nicht umhin zu bemerken, dass ich es bei dem heutigen Stande der Phy-
sik für sehr unwahrscheinlich halte dass Herr Ehrenhaft mit seinen die Nichtexi-
stenz des von der Atomistik geforderten Elementar-Quantums betreffenden Be-
hauptungen Recht behalten wird. Auch glaube ich nicht, dass die Ergebnisse über
die an kleinen Teilchen wirkenden Strahlungskräfte den Charakter fundamentaler
Ergebnisse haben, wenn auch eine Aufklärung der merkwürdigen Befunde keines-
wegs
vorliegt.[3]
Ich kann sogar nicht umhin zu sagen, dass es Herrn Ehrenhaft bei
der Beurteilung der ganzen Sachlage manchmal an der wünschbaren Objektivität
in der Abwägung der experimentellen und theoretischen Argumente gefehlt hat,
wie das bei einer Persönlichkeit von so viel Temperament und Initiative auch gar-
nicht zu verwundern ist. Die Kraft seiner geistigen Persönlichkeit bringt es mit
sich, dass er die meisten jüngeren Forscher seiner persönlichen Umgebung—dar-
unter auch sehr begabte wie den jungen
Smekal[4]
—in den Bann seiner Auffassun-
gen gezogen hat.
Wie die Entscheidung ausfallen möge, es unterliegt keinem Zweifel dass von
Herrn Ehrenhaft wertvolle Anregung und fruchtbares Schaffen ausgestrahlt ist. Ich
glaube auch, dass die Gefahr einer etwas einseitigen Entwicklung bei Berufung Eh-
renhafts an die Universität Wien nicht sehr zu befürchten ist, da an dieser grossen
Universität genug tüchtige und selbständige Kräfte neben ihm vorhanden sein wer-
den.
Dass Herr Ehrenhaft der Verdienstvollste unter den in Betracht kommenden
österreichischen Experimentalphysikern ist, ist meine Ueberzeugung. Unter den
betreffenden deutschen Kollegen gibt es einen, dessen Leistungen ich unbedingt
höher schätze, nämlich Herrn J. Frank, der auf das Phänomen des Elektronenstos-
ses eine exakte Forschungsmethode von grösster Bedeutung gegründet
hat.[5]
Ich
erwähne dies aber nur mit Rücksicht auf einen Passus in Kollegen Lampas Tele-
gramm, der mich zu dieser Aeusserung
verpflichtet.[6]
Ob es sonst im deutschen
Sprachgebiet einen in Betracht kommenden Experime[n]talphysiker gibt, der ne-
ben Ehrenhaft beachtet zu werden verdiente, darf ich wohl offen lassen. Um eine
solche Frage gewissenhaft zu beantworten, müsste ich mich erst sehr genau umse-
hen, wozu vielleicht kein Anlass vorliegt.
Indem ich bemerke, dass ich gerne bereit bin, weitere Fragen nach bestem Kön-
nen zu beantworten bin ich mit ausgezeichneter Hochachtung
TLC. [10 353]. Addressee’s name is typed above salutation: “Herrn Prof. Dr. Wegscheider Wien.”
[1]Doc. 267; Felix Ehrenhaft.
[2]For Ehrenhaft’s experiments that seemed to indicate the existence of fractional charges, see
Doc. 5, note 6.
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