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Analog hätte man denken können, die allgemeine Relativität durch Aufgeben des
Koordinatensystems zu erzwingen. Prinzipiell könnte ja das Kontinuum aufgege-
ben werden. Wie soll man aber die relative Bewegung von n Punkten irgendwie be-
schreiben ohne Kontinuum? Paulis Einwand geht nicht nur gegen Weyl sondern ge-
gen jede andere Kontinuumstheorie, auch gegen eine solche, die das Elektron als
Singularität
behandelt.[10]
Ich glaube nach wie vor, man muss eine solche Überbe-
stimmung durch Differentialgleichungen suchen, dass die Lösungen nicht mehr
Kontinuumscharakter
haben.[11]
Aber wie??
Die Politik entwickelt sich eigentlich konsequent nach der bolschewistischen
Seite hin. Es kommt mir vor, dass die grossen äusseren Erfolge der Russen in Ver-
bindung mit der immer unhaltbareren Lage des Westens, besonders aber unserer
Lage, unaufhaltsam dahin
drängen.[12]
Aber bis es so weit ist, müssten Ströme Blut
fliessen, denn die Reaktion wird auch immer hitziger. Nikolai wird so angefochten
und beschimpft, dass er nicht mehr lesen kann, nicht einmal in der Charité. Ich hab
mich wieder einmal öffentlich für ihn einsetzen müssen. (Man könnte eine neue
Comédie „Der Freund wider willen“
schreiben).[13]
Frankreich spielt wirklich eine
ziemlich traurige Rolle. (Immerhin macht es ihnen Ehre, dass sie sich vom Tiger
befreit
haben).[14]
Ein Sieg ist eben schwer zu ertragen. Der Prozess Erzberger ist
drollig, die mit reinen Händen (und Taschen) mögen ihn
steinigen;[15]
wenns wel-
che gibt! Ich muss Dir übrigens beichten, dass mir die Bolschewicker gar nicht so
schlecht passen, so komisch ihre Theorien sind. Es wäre doch verdammt interes-
sant, sich die Sache einmal von der Nähe anzusehen. Jedenfalls ist die Wirkekraft
ihrer Parole gross, denn die Kriegsgeräte der Entente, welche das deutsche Heer
aufgerieben haben, schmelzen in Russland dahin wie der Schnee in der Märzen-
sonne.[16]
Die Kerle haben politisch begabte Leute an der Spitze. Ich las jüngst eine
Broschüre von Radek—alle Hochachtung, er versteht sein
Geschäft![17]
Du meinst, ich solle meine Stimme in England ertönen lassen? Wenn ich etwas
wirklich Vernünftiges zu sagen hätte, thäte ich es. Aber ich sehe, dass sie selbst tief
in ihren Schwierigkeiten stecken. Was sollen sie thun, um die Not zu bannen? Sie
wie auch die Amerikaner schicken wohl Hilfsaktionen. Aber diesem Massenelend
gegenüber lässt sich wenig
ausrichten.[18]
Der Friedensvertrag geht allerdings viel
zu weit. Aber da seine Erfüllung doch unmöglich ist, ist es besser, seine Forderun-
gen sind objektiv unerfüllbar als eben noch unerträglich! Man muss bedenken, dass
der Bürger auf der Gegenseite etwas schwarz auf weiss in die Hand gedrückt be-
kommen musste zum Dank für die glorreiche
Tapferkeit.[19]
Gegen den Vertrag
auftreten hätte nur einen Sinn, wenn man an seine reale Bedeutung glaubt, was bei
mir nicht der Fall
ist.[20]
Ich fahre übrigens im Frühjar nach England, um mir eine
Medaille in die Hand drücken zu lassen und mir einmal die andere Seite des Affen-
theaters von der Nähe zu
begucken.[21]
Der Spengler hat auch mich nicht ver-
schont.[22]
Man lässt sich gern manchmal am Abend von ihm was suggerieren und