D O C U M E N T 2 9 0 J A N U A R Y 1 9 2 0 3 9 5
Stelle, ferner hat er eine ganze Bibliothek von Übersetzungen aus dem jiddischen
herausgegeben. Das allein zeigt bereits, dass die Herausgeber des „Odeon“ auf kei-
nen engherzigen Standpunkte stehen. Als Redakteur besitzt Eliasberg zwei Eigen-
schaften, welche das Zusammenarbeiten mit ihm sehr erleichtern dürften. Erstens,
besitzt er in allen technischen Fragen des Buchgewerbes eine grosse Erfahrung und
ist dabei sehr fleissig und rührig. Sollten Sie auf die Gestaltung des wissenschaft-
lichen Teiles einen grösseren Einfluss zu nehmen wünschen (was im Interesse der
Leser sehr zu wünschen wäre), so könnten Sie dies mit einem minimalen Aufwand
von Arbeit thun. Eliasberg würde ihnen nämlich die ganze Korrespondenz abneh-
men können und alle ihre Anregungen mit Eifer verfolgen, so dass Sie sich auf die
Aufstellung eines Programms und die Angabe der geeigneten Autoren beschrän-
ken könnten, ohne das Schicksal der Zeitschrift aus der Hand zu geben. Die zweite
Eigenschaft, welche erwähnt zu werden verdient, ist seine Bescheidenheit. Er hat
keine Ambitionen am allerwenigsten wissenschaftliche und gar keinen Eigensinn.
Er ist einer der wenigen Menschen, welcher sogar in seinem eigenen Arbeitsgebiet
Verbesserungsvorschläge stets wohlwollend aufnimmt und für sie dankbar ist. Das
macht die geschäftlichen Beziehungen mit ihm vorllständig reibungsfrei und ange-
nehm, und ist einer der Gründe seiner persönlichen Beliebtheit.
Es bleibt noch zu erörtern, ob eine wissenschaftliche Abteilung in der geplanten
Weise ihre Berechtigung hat. Ich glaube, dass im Publikum unzweifelhaft ein Be-
dürfnis nach Belehrung über die Ziele und Erfolge der wissenschaftlichen For-
schung besteht, und dass es im Interesse sowohl der Leser als der Wissenschaft
liegt in einen unmittelbaren Kontakt zu treten. Warum soll das breitere Publikum
seine Kenntnisse auf dem Wege einer fraktionierten Destillation beziehen, durch
Hans Dominik oder Ch. Nordmann, welche ihr Wissen aus dem Prometheus und
ähnlichen Organen schöpfen, deren Mitarbeiter ert die Fachzeitschriften lesen, aber
meistens selbst keine Forscher
sind?[4]
Ein ähnlicher Versuch liegt ja in Frankreich
in der von Borel herausgegebenen Revue du Mois vor, der es, soviel ich weiss,
nicht an Lesern
mangelt.[5]
Und ich muss gestehen, dass ich den Gedanken der Re-
daktion, sich an Sie zu wenden, für hervorragend glücklich halte. Denn wo findet
man einen Mann, der neben seinem engeren Fach auch die benachbarten und ent-
fernteren naturwissenschaftlichen und philosophischen Gebiete übersieht und dazu
einen Namen besitzt, der nicht nur unbedingtes Vertrauen bei den zu gewinnenden
Mitarbeitern besitzt, sondern auch Berühmtheit und Zugkraft im breitesten Publi-
kum? Wenigsten wäre ich in Verlegenheit einen zweiten zu nennen.
Verzeihen Sie mir, dass mein Schreiben so weitläufig geworden ist. Ich muss
mich bei Ihnen noch für Ihre freundliche Unterstützung bedanken, welche Sie mir
durch Ihren letzten Brief an Meyer gewährt
haben.[6]
Dass Sie den Züricher Lehr-
auftrag nicht mehr ausüben wollen, beklage ich im Interesse von Zürich auf’s