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zuwerden suchen. Begründung: Um zugleich Vorlesungen im bisherigen Umfang
zu halten, und wissenschaftlich zu arbeiten, dazu fehlt mir die
Nervenkraft.[2]
Wol-
len die verehrten Mitmenschen, daß ich wieder einmal etwas wissenschaftliches
leiste—und das wäre durchaus vernünftig, zumal bei meinen Vorlesungen doch
nichts rechtes herauskommt—so werden sie mir wohl oder übel die Forderung be-
willigen müßen. Hätten wir die wirtschaftlichen Verhältnisse der Vorkriegszeit, so
wäre die Sache ganz einfach. Dann könnte ich mich selbst zum Privatgelehrten er-
nennen, was stets mein Ideal war. Jetzt geht das leider nicht mehr, und so muß ich
eine ähnliche Freiheit mir durch Verhandeln zu schaffen suchen, obwohl man dann
leicht in eine Lage kommen kann, bei der man das Gefühl hat, seinen Mitmenschen
etwas schuldig zu bleiben. Doch auf die Gefahr hin muß ich es, wie die Dinge ein-
mal liegen, wagen.
Mit den bestem Empfehlungen an Deine Gattin und herzlichem Gruß Dein
M. Laue.
TLS. [16 023].
[1]An allusion to the postwar scarcity of goods in Berlin.
[2]As Ordinary Professor of Theoretical Physics at the University of Berlin, Laue was reading in
the current summer semester a four-hour course on kinetic gas theory and statistical mechanics, and
a one-hour public lecture course on special problems in thermodynamics (Berlin Verzeichnis 1920s,
p. 51). Doubts about Laue’s qualities as an academic teacher had earlier played a role in his appoint-
ment as Einstein’s successor at the University of Zurich in 1912 (see Einstein to Alfred Kleiner, 3
April 1912 [Vol. 5, Doc. 381, note 9], and Einstein to Heinrich Zangger, 20 May 1912 [Vol. 5,
Doc. 398]).
363. From Central Association of German Citizens of
the Jewish Faith
Berlin, SW. 68, Lindenstr. 13, den 29. März 1920
Sehr geehrter Herr Professor!
Es hat sich durch die politischen Ereignisse der letzten Zeit in verstärktem Mas-
se gezeigt, welche ungeheure Gefahren die antisemitische Hetze, die vor den ver-
werflichsten Kampfmethoden nicht zurückschreckt, für die Juden Deutschlands
heraufbeschwört.[1]
Leider sind unsere Universitäten durchweg Hochburgen des
Antisemitismus.[2]
Die Ursache besteht in einem Teile darin, dass die Universitäts-
lehrer, die die Führer des deutschen Volkes repräsentieren und in deren Händen die
Erziehung unserer zukünftigen Führer liegt, antisemitisch und in völliger Unkennt-
nis über jüdische Art und jüdisches Wesen befangen sind. Soll dem wachsenden
Unheil auch nur einigermassen gesteuert werden, so ist dazu in erster Linie eine
gründliche Aufklärung dieser Kreise über jüdische Dinge
erforderlich.[3]
Wir sind