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Viele von denjenigen, welche mit naturwissenschaftlichen und mathematischen
Kenntnissen philosophisce Interessen verbinden, haben nun natürlich auch die
Tragweite Ihrer Ideen für die Philosophie erwogen. Dabei kommen sowohl Metho-
dische als Systematische Gesichtspunkte in Betracht.
Gar Manche wiederum, welche mit der Philosophie des Als-Ob bekannt sind,
haben nun speciell die Frage aufgeworfen, in wieweit die methodischen Gesichts-
punkte der Als-Ob Betrachtung der Fiktion in ihrem principiellen Unterschied von
der Hypothese an Ihre Ideen anwendbar seien, d. h. was an Ihren Ideen einerseits
bewusste methodische Fiktion und was andererseits verificierbare Hypothese
sei?[3]
Mir selbst ist es leider nicht vergönnt, diese Fragen gründlich zu erörtern. Mein
schweres Augenleiden hindert mich so sehr am Studium (ich muss mir Alles vor-
lesen lassen und kann, ausser meinem Namen nichts mehr schreiben) dass ich es
nicht wagen kann, ein massgebliches Urteil zu fällen.
Aber Viele Freunde der Philosophie des Als-Ob beschäftigen sich jetzt intensiv
mit diesen Problemen. Es ist für diesen Sommer eine Zusammenkunft von Interes-
senten der Philosophie des Als-Ob geplant, bei welcher hier in Halle in den Räu-
men der Universität verschiedene Vorträge mit Diskussionen abgehalten werden
sollen. Einer der Vortragenden hat nun eben das Verhältnis der Relativitätstheorie
zur Philosophie des Als-Ob sich zum Thema gewählt, Herr Studienrat Dr. Bernhard
Fliess
Aschersleben.[4]
Er ist Physiker.
Seinem Vortrag resp. Referat soll dann ein Correferat an die Seite treten von dem
Philosophen Prof. Kowalewski in Königsberg, dem Bruder des Prager Mathemati-
kers.[5]
Beide, und natürlich in erster Linie ich selbst wünschen nun nichts dringender,
als dass Sie selbst in eigener Person an dieser wissenschaftlichen Zusammenkunft
teilnehmen möchten, ob passiv oder aktiv, ganz nach Ihrer Wahl. Es würde Allen,
die daran teilnehme[n] natürlich eine hohe Ehre und eine grosse Freude sein, wenn
Sie selbst erscheinen würden.
Der Tag der Zusammenkunft kann noch nicht fest bestimmt werden wegen der
politischen Wirren. Die Tagung soll unmittelbar vor oder nach der Generalver-
sammlung der Kantgesellschaft
stattfinden.[6]
Aber schon jetzt möchte ich wenig-
stens vorläufig Sie um Ihre principielle Einwilligung bitten, hiezu nach Halle zu
kommen. Die Nähe von Berlin und Halle lässt die Erfüllung dieser Bitte als leicht-
möglich erscheinen.
Auch ist es ja ganz natürlich, dass durch die Berichte über diese Tagung und über
die Vorträge speciell über Ihre Theorie in den Zeitungen aufs neue Ihr Name wie-
derum in den Vordergrund des allgemeinen Interesses gerückt wird.
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