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chologischen 〈Moments〉 Phänomens wird es geben, solange Juden mit Nichtjuden
in Berührung kommen—was schadet es? Vielleicht verdanken wir es ihm, dass wir
uns als Rasse haben erhalten können; ich wenigstens glaube es.
Wenn ich zu lesen kriege “Deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens” so kann
ich mich eines schmerzlichen Lächelns nicht erwehren. Was steckt in dieser schö-
nen Bezeichnung? Was ist denn jüdischer Glaube? Gibt es eine Art Unglauben,
kraft dessen man aufhört, Jude zu sein? Nein. In jener Bezeichnung stecken aber
zwei Geständnisse schöner Seelen, nämlich
1) Ich will nichts zu tun haben mit meinen armen ostjüdischen Brüdern
2) Ich will nicht als Kind meines Volkes angesehen werden, sondern nur als Mit-
glied einer religiösen Gemeinschaft.
Ist das aufrichtig? Kann der “Arier” vor solchen Leisetretern Respekt haben? Ich
bin weder deutscher Staatsbürger noch ist irgend etwas in mir, was man als “jüdi-
schen Glauben” bezeichnen kann. Aber ich bin Jude und freue mich, dem jüdischen
Volke anzugehören, wenn ich dasselbe auch nicht irgendwie für ein auserwähltes
halte. Lassen wir doch ruhig dem Goi seinen Antisemitismus und bewahren wir uns
die Liebe zu Unseresgleichen.
Machet nicht böse Gesichter wegen dieses Bekenntnisses! Es ist nicht böse oder
unfreundlich gemeint. Mit vorzüglicher Hochachtung
(gez.) A. Einstein
TTrL. [43 443]. “Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. SW. 68, Lindenstr. 13.”
is typed above salutation. Three other typescripts are preserved ([35 060], and IsJCZA, A15/577,
[85 731] and [85 879]), also dated 5 April 1920, whose texts differ only slightly. The document was
published on 24 September 1920. For the published version, details of its slight but significant textual
variations, and the background and fallout of the document, see “A Confession,” Vol. 7, Doc. 37.
[1]Doc. 363.
369. To Hans Albert Einstein
[Berlin,] 5. IV. 20.
Lieber Albert.
Eure Karte von
Aegeri[1]
hat mich sehr gefreut, ebenso Dein und Mamas Brief
von Zürich. Es freut mich, dass Ihr nun bald wieder alle drei in Zürich zusammen
sein
werdet.[2]
Du schreibst mir nur, dass Du die Mathäuspassion erhalten hast. Es
waren aber noch mehr Noten und eine grosse Photographie von mir in dem
Paket.[3]
Hast Du das bekommen? Dass Du im Sommer in den Ferien nach der
Westschweiz gehen
willst,[4]
billige ich, wenn es mir auch sehr leid thut, dass wir
nicht beisammen sein können. Bleiben nur mehr die Herbstferien. Da solltest Du
wirklich zu mir kommen, womöglich mit Tete. Mir ist eine Reise in die Schweiz zu