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1.) teilte er mir mit, dass die aus der Einlage ersichtlichen beiden Aufsätze wäh-
rend des Krieges erschienen sind, von denen er glaubt, dass sie für Sie von Interesse
sein dürften, u. z. besonders deshalb, weil sie Ihrer Theorie gegenüber eine kriti-
sche Stellung
einnehmen;[2]
sie erklären nämlich, soweit ich verstanden habe, ge-
wisse Phänomene, die vor der Relativitätstheorie unverständlich waren, angeblich,
ohne gewisse herkömmliche Anschauungen in dem Masse umzustossen, wie die
Relativitätstheorie es verlangt. Herr Fabre regt an, Sie hiermit zu fragen, ob Sie die-
se Artikel kennen oder nicht. In ersterem Falle würde es ihn interessieren, ob bezw,
wo Sie sich dazu geäussert haben; sollten Sie öffentlich dazu keine Stellung ge-
nommen haben, so würde ihn Ihre Ansicht darüber interessieren; falls Sie sie mir
kurz für ihn schreiben, so sagen Sie mir nur bitte, ob Herr Fabre Ihre Ansicht ver-
traulich behandeln soll, da es sonst vielleicht vorkommen könnte, dass von Ihren
Aeusserungen ein Gebrauch gemacht wird, den Sie nicht wünschen. Wenn Sie aber
die beiden Aufsätze nicht kennen, so ist Herr Fabre gerne bereit, sie Ihnen durch
meine Vermittlung zu besorgen, und ich wäre sehr froh, wenn ich auf diese Weise
Literaturbeiträge von Wichtigkeit beibringen könnte.
2.) Herr Fabre erwähnte gesprächsweise, dass er in einer der ersten französi-
schen Revuen einen populären Aufsatz über die Relativitätstheorie bringen
wolle.[3]
Liegt es in Ihrem Interesse, wenn Sie den Aufsatz vor dem Erscheinen le-
sen, damit nichts darin veröffentlicht wird, was im Widerspruch zu Ihren Anschau-
ungen steht und Ihrem Namen damit Abtrag tuen könnte? Wenn Sie den Aufsatz
vorher in Ihrem Interesse inoffiziell durchlesen wollen, so wird Herr Fabre, glaube
ich, sehr dankbar dafür sein.
3.) Wäre das vielleicht eine Gelegenheit, Ihre Veröffentlichung aus der Samm-
lung Vieweg ins Französische zu
übersetzen?[4]
Der betreffende Herr hat mir näm-
lich erzählt, dass in Frankreich mit Ausnahme ganz Weniger die Relativitätstheorie
noch ganz unbekannt ist. Vielleicht könnte diesem Uebelstand auf diese Art abge-
holfen werden. Die Idee kommt mir deshalb, weil Herr Fabre jemanden bitten wird,
das Buch von Weyl ins Französische zu
übersetzen,[5]
damit er es besser studieren
kann. Es ist doch schade, wenn solche Arbeiten, falls sie ohnedies gemacht werden,
der breiteren französischen Oeffentlichkeit vorenthalten werden.—
Ich war in einem gewissen Dilemma, ob ich Ihnen diesen Brief schreiben sollte,
da ich Ihnen ja nicht zur Last fallen möchte, aber ich habe ihn, wie Sie sehen, doch
geschrieben, u. z. hauptsächlich aus drei Gründen: erstens, weil doch der eine oder
andere Punkt für Sie von Interesse sein könnte, zweitens, weil ich gerne mithelfe,
die Relativitätstheorie in allen Kreisen bekannt zu machen, und drittens, weil ich
kein schöneres Mittel sehe, die Völker wieder aneinander zu bringen. Im übrigen
könnten Sie ja vielleicht Herrn Dr. Freundlich bitten, den Brief zu erledigen, wenn
Sie dadurch Zeit und Mühe sparen.
Mit vielen herzlichen Grüssen für Sie alle bin ich Ihr treu
ergebener[6]
Oppenheim.