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108. From Arnold Berliner
Berlin W 9, Linkstr. 23/24. den 19. August 1920.
Lieber Herr Einstein!
In der Pariser Akademie hat am 26. Juli Deslandres eine Arbeit von Perot vor-
gelegt über den Vergleich von Lichtwellenlängen einer Linie der Cyanbande im
Sonnenlicht und in einer irdischen
Lichtquelle.[1]
Nach diesen Versuchen ist die
Lichtwellenlänge im Sonnenlicht grösser als die entsprechende der terrestrischen
Lichtquelle. Das Verhältnis der Lichtwellenlänge liegt nahe bei dem von der allge-
meinen Relativitätstheorie geforderten Werte. Die irdische Lichtquelle war eine
Bogenlampe. Das Sonnenlicht wurde an verschiedenen Stellen Stellen der Scheibe
zum Vergleich herangezogen.
Ferner! Fräulein Ilse Schneider wünscht ihre Dissertation bei Springer gedruckt
und verlegt zu
sehen.[2]
Ich habe ihr auch versprochen, mich bei Herrn Springer da-
für zu verwenden, traue aber meinem eigenen Urteil doch nicht genug, um Herrn
Springer darin endgültig bestimmen zu wollen. Vielleicht haben Sie die Freund-
lichkeit, mir eine Zeile darüber zu schreiben, etwa wie Sie die Arbeit von Ilse
Schneider an der von Hans Reichenbach gemessen
bewerten.[3]
Ich selber habe, so-
weit ich die Arbeit bisher gelesen habe, einen sehr guten Eindruck davon, aber ich
fühle mich doch nicht zuständig genug, um allein ein entscheidendes Urteil abzu-
geben.
Zum Schluss noch Folgendes: Das Heft der „Naturwissenschaften“, das Ihren
Dialog über die Einwände gegen die Relativitätstheorie
enthält,[4]
ist vollständig
vergriffen, wird aber immer wieder aufs neue verlangt. Sie hatten vor zwei Jahren,
als Sie diesen Dialog schrieben, die Absicht, gelegentlich eine Fortsetzung folgen
zu lassen. Wäre es nicht angesichts der vielen
Quertreibereien[5]
zweckmässig, die-
se Fortsetzung jetzt gelegentlich erscheinen zu lassen? Vielleicht wäre es sogar
zweckmässig, diesen Dialog so weit auszudehnen, dass er in den „Naturwissen-
schaften“ in zwei oder auch in drei aufeinander folgenden Heften erscheinen könn-
te. Man könnte dann den vor zwei Jahren erschienenen Teil mit der jetzt zu veröf-
fentlichenden Fortsetzung in eine Broschüre zusammen fassen. Man würde dann
ein überaus geeignetes Abwehrmittel gegen die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher
Naturforscher zur Erhaltung der reinen
Wissenschaft“[6]
in Händen haben. Ich fin-
de, dass Gehrcke und
Gehrcke-Genossen[7]
die herrlichste Reklame für die Relati-
vitätstheorie machen.
Mit bestem Gruss Ihr Ihnen sehr ergebener
A. Berliner
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