4 V O L . 6 , D O C . 4 4 a P R I N C I PA L I D E A S O F R E L AT I V I T Y
Gleichzeitigkeit beziehen solle. Und doch ist die Wissenschaft durch die überzeu-
gende Gewalt von Erfahrungsthatsachen dazu gezwungen worden, dies zu behaup-
ten. Wie kam dies?
Zu diesem seltsamen Ergebnis führten die Erfahrungen über die Ausbreitung des
Lichtes. Auf Grund vieler Experimente kamen die Physiker zu der Überzeugung,
dass sich das Licht im leeren Raume mit der Geschwindigkeit km pro
Sekunde fortpflanze, und zwar ganz unabhängig davon, mit welcher Geschwindig-
keit der Körper bewegt ist, welcher das Licht aussendet. Man denke sich etwa einen
Lichtstrahl, den die Sonne in einer bestimmten Richtung aussendet. Derselbe legt
nach dem eben ausgesprochenen Gesetz pro Sekunde den Weg c zurück. Man den-
ke sich nun, dass die Sonne dem Lichtstrahl einen Körper nachschleudere, der sich
in derselben Richtung mit der Geschwindigkeit 1000 km durch den Weltraum be-
wegt. Dies ist leicht zu denken. Nun können wir uns den abgeschleuderten Körper
ebensogut als Bezugskörper gewählt denken und fragen uns: mit was für einer Ge-
schwindigkeit pflanzt sich der Lichtstrahl fort für das Urteil eines Beobachters, der
nicht auf der Sonne, sondern auf dem abgeschleuderten Körper sitzt? Die Antwort
scheint einfach. Wenn der ausgeschleuderte Körper dem Licht mit 1000 km pro Se-
kunde Geschwindigkeit nacheilt, so kommt der Lichtstrahl gegen diesen nur
299000 km in der Sekunde vorwärts. Ebenso wäre es, wenn der Lichtstrahl nicht
von der Sonne sondern von dem ausgeschleuderten Körper ausgesendet würde;
denn wir wissen ja dass die Lichtgeschwindigkeit nicht vom Bewegungszustand
der Lichtquelle abhängig ist.
Dies Ergebnis macht misstrauisch. Sollte sich das Licht vom abgeschleuderten
Körper aus beurteilt wirklich anders ausbreiten als von der Sonne aus. Sollten die
Gesetze der Lichtausbreitung abhängen vom Bewegungszustande des Bezugskör-
pers? Dann würde es in der Welt etwas wie absolute Ruhe geben; denn man könnte
so argumentieren. Inbezug auf beliebig bewegte Bezugskörper (hier der ausge-
schleuderte Körper) pflanzt sich das Licht mit einer von c verschiedenen, und zwar
von der Richtung abhängigen Geschwindigkeit fort. Dann gäbe es Bezugskörper
von ganz bestimmtem Bewegungszustande, inbezug auf welche sich das Licht mit
der nach allen Richtungen gleichen Geschwindigkeit c fortpflanzt. Solche Bezugs-
körper würden wir mit gutem Rechte als absolut ruhend bezeichnen können (in un-
serem Überlegungsfalle die Sonne). Gibt es wirklich solche absolute Ruhe in phy-
sikalischem Sinne? Hängen die Naturgesetze wirklich vom Bewegungszustande
des Beobachters bezw. des Bezugssystems ab, wie es die obige Überlegung über
die Lichtausbreitung zu beweisen scheint?
Die Erfahrung spricht dagegen. Wenn wir uns in einem erschütt[er]ungsfrei fah-
renden Eisenbahnwagen befinden, merken wir nicht das Fahren des Wagens. Alle
physikalischen Experimente gelingen in einem solchen Wagen genau mit gleichem
c 300000 =
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