D O C U M E N T 2 3 5 D E C E M B E R 1 9 1 9 3 2 9
235. To Edgar Meyer
[Berlin, after 28 December
1919][1]
Lieber Herr Mayer!
Ich schreibe Ihnen auf Ihren ungemein herzlichen
Brief[2]
erst heute, weil ich
den Rank so lange nicht finden konnte. Denn wenn mir das Neinsagen schon an
und für sich schwer fällt, so fällt es mir Ihnen gegenüber doppelt
schwer.[3]
Trotz
der unsicheren Situation kann ich nämlich den hiesigen Kollegen in dieser Zeit
nicht den Rücken kehren. Wenn nur Planck allein da wäre, würde ich es auch nicht
thun. Ich könnte meines Daseins nicht mehr froh werden. Was mich in Zürich letz-
tes Jahr so unangenehm berührte, war nicht das Verhalten untergeordneter Ange-
stellter sondern dasjenige des Rektors. Er hielt mir nämlich thatsächlich vor, dass
die Universität infolge meiner Vorlesung Auslagen wegen der Heizung des grossen
Hörsaales
hätte.[4]
Dies ist an sich eine Kleinigkeit, ist aber doch symptomatisch.
Wenn mich ausser meinen Buben etwas nach Zürich zieht, so sind es nur Sie und
Ihre Freunde, die doch schliesslich auch nicht so fest in Zürich wurzeln. Wenn Sie
und Weyl fort wären, dann wäre ich dort wieder menschlich so vereinsamt, wie ich
es früher gewesen bin. Seitdem hier das Kraftprotzentum weg ist, ist mir das
menschliche Milieu ungemein sympathischer geworden, sodass ich die äusserli-
chen Schwierigkeiten und kleinen Entbehrungen, die das Leben hier mit sich
bringt, gerne in Kauf nehme. Ich weiss genau, dass Sie mich verstehen, und dass
Sie es ebenso machen würden wie ich.
Was nun die periodischen Vorlesungen anbetrifft, so würde ich dies Opfer gerne
bringen, wenn es objektiv gerechtfertigt wäre. Aber davon kann gar keine Rede
sein. Ich habe das deutliche Gefühl, Euch dort durch Vorlesungen nichts mehr bie-
ten zu können, nachdem die Physik bei Euch so glänzend vertreten
ist.[5]
Als freier
Privatmensch aber komme ich sehr gern öfter zu Euch, um an Euerm frischen wis-
senschaftlichen Leben teilzunehmen und auch der rein menschlichen Freude hal-
ber. Es muss ja nicht immer geschulmeistert sein! Dazu kommt noch etwas: H. A.
Lorentz hat mir eine Fremden-Professur an der Universität Leiden angetragen, die
zwar nur wenige Wochen im Jahr wegnimmt, es aber doch unmöglich macht, dass
ich in Zürich in der in Aussicht genommenen Weise
lese.[6]
Dieser Grund ist aber
ein mehr nebensächlicher.
Die Anfrage wegen Bernulli habe ich deutlich genug
beantwortet;[7]
eine zweite
Anfrage wegen eines Genfers konnte ich nicht beantworten, weil ich weder den
Mann noch dessen Arbeiten
kenne.[8]
Die Aufforderung von der Regierung habe
ich schon bekommen, aber im Sinne des Vorhergehenden
abgelehnt.[9]
Ich bin auch
so sehr angestrengt, dass die Weiterführung der Züricher Vorlesungen ein schweres
Opfer für mich bedeuten würden, besonders mit Rücksicht auf meinen immer labi-
len Gesundheitszustand.
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