C H I C A G O L E C T U R E S 5 2 1
Wir fuehlen uns daher zunaechst genoetigt, entgegen dem allgemeinen Relativitaets-
prinzip der ungleichfoermigen Bewegung eine Art absolute physikalische Realitaet zuzu-
sprechen.
Wir koennen leicht einsehen, dass das Traegheitsprinzip, wenn es in Bezug auf K gilt,
nicht haelt in Bezug auf KÊ. Ist dieselbe Bewegung, welche in bezug auf K gilt eine gerad-
linig gleichfoermige, ist sie von aus gesehen, eine gekruemmte Bewegung. Wenn es also
moeglich ist das Relativitaets Prinzip auszudehnen auch auf ungleichfoermige Bewegun-
gen, dann kann das nur geschehen, durch eine tiefe Modifikation der Mechanik. Es musste
dann eine Mechanik aufgestellt werden, welche nicht ausgeht von dem Prinzip der Traegheit.
Nun koennte man bei dieser Sache lange an eine Moeglichkeit der Weiterfuehrung des
Relativitaetsgedankens verzweifeln. Es gibt aber eine ganze fundamentale und wichtige Er-
fahrungstatsache, welche uns Mut gibt, diese Untersuchung weiter zu fuehren, und welche,
obwohl allgemein bekannt, in der bisher physikalischen Interpretation bisher nicht gefun-
den wurde. Es ist dies eine Tatsache, die wir alle in der Schule gelernt, und die schon seit
Galileis Zeiten bekannt ist, und heute schon mit Genauigkeit varifiziert ist. Es ist naemlich
die Tatsache festgestellt, dass Koerper von verschiedener Schwere, sagen wir Eisen und
Bleikoerper, mit derselben Beschleunigung zur Erde fallen. Von der Gleichheit des Fallens
verschiedener Koerper kann auch noch in anderer Weise Form gegeben werden.
Wir haben zwei grundverschiedene Definitionen der Masse, naemlich, wir unterschei-
den die Traegheit eines Koerpers, welche wir Masse nennen, und diejenige Konstante,
welche mit der Schwere des Koerpers charakteristisch ist. Wir wollen uns rasch vergegen-
waertigen, was das ist. Angenommen wir haben zwei Koerper. Wir lassen nacheinander
dieselbe Kraft wirken. Wir nehmen an, dass der eine Koerper doppelt so grosse Schnellig-
keit besitzt wie der andere. Die Masse des einen Koerpers ist halb so gross wie die andere.
Dieser Widerstand gegen die Beschleunigung heisst Traegheit. Dieser Begriff der traegen
Masse ist fundamental in der Mechanik, naemlich in dem Bewegungsgesetz Newtons auf
welchem die klassische Mechanik beruht. Dieses Bewegungsgesetz ist Kraft gleich traege
Masse, Beschleunigung, wobei die traege Masse eine charakteristische Konstante des
beschleunigten Koerpers ist. Ist nun die beschleunigende Kraft die Schwere, so ist anderer-
seits Kraft gleich schwere Masse, wobei die schwere Masse ebenfalls eine fuer den Koerper
charakteristische Konstante ist.
Soll nun, wie die Erfahrung ergibt, bei gegebenem Schwerefelde die Beschleunigung
unabhaengig von der Natur und dem Zustande des Koerpers stets dieselbe sein, so muss das
Verhaeltnis der schweren und tragen Masse ebenfalls fuer alle Koerper gleich sein. Man
kann also dies Verhaeltnis bei passender Wahl der Einheiten zu 1 machen. Dann gilt der
Satz: Die schwere und die traege Masse eines Koerpers sind einander gleich.
Die bisherige Mechanik hat diesen wichtigen Satz zwar registriert, aber nicht interpe-
tiert. Eine befriedigende Interpretration kann nur so zustande kommen, dass man einsieht:
Dieselbe Qualitaet des Koerpers aeussert sich je nach Umstaenden als “Traegheit” oder als
“Schwere”.
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