1 7 4 D O C U M E N T 1 1 7 O C T O B E R 1 9 1 9
Sie werden hoffentlich mit dieser Lösung einverstanden sein und gütigst meine
sozialen Interessen wahren.— Von Prof. Born hörte ich, dass Sie vielleicht nach
Frankfurt kommen
werden.[5]
Das ist ja eine herrliche Aussicht, und ich kann es
auch kaum erwarten. Wenn ich das nur rechtzeitig erfahre, damit ich auch nach
Möglichkeit sicher da bin!
Gestern hat uns Freundlich verlassen, mit dessen Besuch wir uns sehr gefreut
haben.[6]
Er hat etwas von jener Atmosphäre mitgebracht, die einen Lichtpunkt in
der düstern Berliner Zeit darstellte, und entzückte uns durch seine hohe Kultur. Ge-
rade im Vergleich mit ihm fühlte ich wieder mit Schrecken die Gefahr, hier zu ver-
sauern, wenn es mir nicht gelingt, für mein nächstes wissenschaftliches Arbeitspro-
blem, die Klassifikation der Wissenschaften, jenen geistigen Ehegefährten zu
finden, der bei gründlicher mathematisch-logischer und allgemeinphilosophischer
Durchbildung die nötige Assimilationsgabe an meine Ideen besitzt, um das in sei-
nen Grundzügen konzipierte Werk technisch zu vollenden und kritisch zu läu-
tern.[7]
Schwer wird es allerdings auch dann fallen, die erforderliche Sammlung zu
finden; die elementaren Sorgen wegen Sicherheit und Vermögen drücken, selbst
wenn man sie, wie ich, leichter als der Durchschnitt der Mitmenschen nimmt, auf
die sensitiven Gehirnzentren, in denen die Ideen ihren Ursprung haben.
Mit vielen herzlichen Grüssen an Sie beide von uns beiden bin ich Ihr treu erge-
bener
Oppenheim.
P. S. Eben entdecke ich auf dem Kuvert Ihren neusten Titel und, nachdem ich sehr
darüber gelacht, muss ich sagen, dass es ihm Grunde, ohne jemand zu beleidigen,
umgekehrt sein dürfte: Auf geistigem Gebiete sind alle heutigen Menschen
Schnorrer gegenüber A.
Einstein.[8]
(So was schreibt man nur, darf es aber nicht
in’s Gesicht sagen. Aber wahr ist es doch!)
ALS. [44 627].
[1]In Doc. 110, Einstein was apprised of the success of the British eclipse expeditions, confirming
his prediction of light deflection by gravitation. Apparently, he had informed Oppenheim about these
results in a letter to which this letter is a response.
[2]Pauline Einstein was suffering from terminal cancer (see Doc. 52).
[3]Nomen nescio, Latin for “name unknown.”
[4]Presumably a donation to be sent to Leopold Landau for the Society for the Founding and Pres-
ervation of an Academy for the Science of Judaism (see Doc. 111).
[5]At the end of August, Einstein suggested to Hedwig Born that he might be coming to Frankfurt
am Main (see Doc. 97).
[6]Freundlich’s visit to the Oppenheims was announced in Doc. 105.
[7]Oppenheim was interested in a system of classification of the sciences which he eventually pub-
lished as Oppenheim, P. 1926.
[8]Einstein presumably added “Schnorrer” (Yiddish and German for “sponger”) as a mock title to
his return address on the envelope.
Previous Page Next Page