D O C . 8 3 F O R T H E F R E E D O M O F A R T 1 4 5 den an der Ruhr“.[5] Dazu tritt als vielleicht ärgstes die vom Staatsgerichtshof in Leipzig erfolgte Verurteilung des Schauspielers Rolf Gärtner[6] zu der ungeheuer- lichen Strafe von einem Jahr drei Monaten Gefängnis, obgleich dieser Schauspieler nichts anderes beging, als daß er bei einer erlaubten kommunistischen Revoluti- onsfeier in Stuttgart nicht konfiszierte Gedichte revolutionären Inhalts vortrug und eine Sprechchoraufführung leitete, in der mit primitiven künstlerischen Mitteln die Befreiung politischer Gefangener dargestellt wurde. Erschüttert steht man vor der Tatsache dieser fünf Vierteljahre Gefängnis für einen Menschen, der nichts tat, als jene durch Druck allgemein verbreiteten und nicht verbotenen Verse zu sprechen, einen Menschen, dessen ideale Gesinnung das Gericht selbst anerkennt! Aber es gilt hier keineswegs, Mitgefühl mit dem Unglück eines einzelnen zu be- kunden. Ebensowenig: für die Ideen der mit ihm Verfolgten Partei zu ergreifen. Es gilt vielmehr, das künstlerische Schaffen als solches von der Gefahr weiterer Be- einträchtigung zu befreien! Was heute jenen geschah, die aus ihrer Gesinnung her- aus künstlerische Werke zu gestalten suchten—ganz gleich, ob man sie als gelungen betrachten will —, das kann morgen auch Andersgesinnten zustoßen. Wo kann die Grenze für das gezogen werden, was der Kunst in der Gestaltung politi- scher Gesinnung erlaubt sein soll? Lebt nicht in hundert Werken, und zwar den be- sten, ein Geist der Auflehnung gegen gesellschaftliche und staatliche Einrichtun- gen? Wer bürgt uns heute dafür, daß nicht einmal Staatsanwalt und Gerichte auch gegen Schillers „Räuber“ und „Tell“, gegen Büchners „Danton“ oder Hauptmanns „Weber“ vorgehen und gar jene ins Gefängnis werfen, die solchen Werken auf der Bühne Leben geben?![7] Organisationen völlig unpolitischen Charakters, Männer und Frauen jeglicher politischer Gesinnung, einig aber in der Ueberzeugung, daß eine Fortentwicklung unserer Kultur unbedingt eines freien künstlerischen Schaffens bedarf, erheben hiermit als Unterzeichner Protest gegen die Verfolgung von Künstlern und Kunst- werken. So darf es nicht weitergehen! Auch die Würde des Staates ist in Gefahr! Ein Staat, der nicht die Autonomie der Kunst wie die der Religion und die Aus- übung beider frei gewährleistet, kann nicht verlangen, als Kulturstaat bewertet zu werden. Handelt es sich um eine falsche Anwendung der Gesetze, so haben die verant- wortlichsten Stellen die Pflicht, durch eindeutige Erklärungen dieser Praxis ein Ende zu machen. Sehen die verantwortlichen Stellen in dem geschilderten Vorge- hen die richtige Auslegung der Gesetze, so heißt es, diese selbst so rasch wie mög- lich umzugestalten! An die breiteste Oeffentlichkeit ergeht der Ruf, diese Forderungen zu unterstüt- zen. Erhebt, die ihr mit uns in der Freiheit der Kunst ein höchstes Gut seht, überall eure Stimme! Zeigt geschlossen den Organen des Staates, daß es des Volkes Wille ist: Freiheit allem künstlerischen Schaffen![8]
Previous Page Next Page