83. “For the Freedom of Art” “Für die Freiheit der Kunst” [Einstein 1925v] Published 1 October 1925 In: Berliner Tageblatt, 1 October 1925, EE. Für die Freiheit der Kunst. Aufruf. Kunst muß frei sein. Ganz gleich, in welcher Weltanschauung, welcher Gesin- nung sie wurzelt. Nur dann wird sie ihre Sendung erfüllen können. Die Menschen zum schöpferischen Miterlebnis großer Gefühle zu führen. Wieder einmal scheint diese Freiheit bedroht, schwerer vielleicht als je. Denn nicht um kunstfeindliche Anschläge privater Gruppen handelt es sich heute, wie in den Kampftagen der lex Heinze.[1] Die Gefahr erwächst diesmal aus den bestehen- den Gesetzen oder doch aus einer um sich greifenden bedenklichen Auslegung die- ser Gesetze—Nicht soll den Gesetzen das Recht bestritten werden, die Verfassung des Staates vor gewaltsamen Angriffen zu schützen. Aber es kann nicht Aufgabe des Staates oder seiner Organe sein, Gesinnungen zu verfolgen, ganz gleich, ob sie den Staat in seiner heutigen Gestalt bejahen oder verneinen,—und auch nicht die Aeußerung irgendeiner Gesinnung, solange sie in künstlerischer Form geschieht und deshalb „revolutionierend“ nur in jenem allgemeinen Sinne wirken kann, der den Gedanken einer bestimmten planmäßigen Aktion ausschließt. Die Fälle aber mehren sich, in denen „staatsfeindliche“ Gesinnung auch im Kunstwerk gerichtlich verfolgt wird. Neben den Strafgesetzbuchparagraphen über Hochverrat und Aufreizung zum Klassenhaß wird vor allem auf Grund des Geset- zes zum Schutze der Republik vorgegangen.[2] Und nicht nur untergeordnete In- stanzen verfolgen das künstlerische Schaffen: voran geht der “Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik” mit bedauerlichem Beispiel. Beschlagnahmt wurde ein Buch der Bertha Lask, das historische Bauerndrama „Thomas Münzer“.[3] Anklage wurde erhoben gegen den Dichter Johannes R. Be- cher wegen verschiedener aus ihrem Zusammenhang gerissener, den Aufruhr ver- herrlichender Verse in einer Sammlung seiner Gedichte.[4] Gegenüber dem jungen Klaeber verfügte ein Gerichtshof Einziehung seiner Skizzensammlung „Barrika-
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