488 DOC. 17
PROBLEM
OF GRAVITATION
1250
Einstein, Gravitationsproblem. Physik.
Zeitschr. XIV,
1913.
schüttert. Es mußte sich die
Überzeugung
Bahn
brechen,
daß Newtons
Gravitationsgesetz
ebensowenig
die
Erscheinungen
der Gravitation
in ihrer Gesamtheit
umspanne
wie
das Cou-
lombsche Gesetz der Elektrostatik und
Ma-
gnetostatik
die Gesamtheit der
elektromagneti-
schen
Vorgänge.
Daß Newtons Gesetz
zur
Berechnung
der
Bewegungen
der Himmels-
körper
bisher
hinreichte,
ist
darauf
zurückzu-
führen,
daß die
Geschwindigkeiten
und
Be-
schleunigungen jener Bewegungen
klein sind.
In der Tat ist leicht
zu
zeigen,
daß Himmels-
körper,
deren
Bewegungen
durch elektrische
Kräfte bestimmt
wären,
die
von
auf den
Himmelskörpern
sitzenden elektrischen
Ladungen
herrührten,
uns
die Maxwellschen Gesetze der
Elektrodynamik
nicht
verraten
würden,
falls die
Geschwindigkeiten
und
Beschleunigungen
jener
Himmelskörper
von
derselben
Größenordnung
wären
wie
bei den
Bewegungen
der
uns
be-
kannten
Himmelskörper.
Man würde
unter
Zugrundelegung
des Coulombschen Gesetzes
jene
Bewegungen
mit
großer Genauigkeit
dar-
stellen können.
[3]
War damit das Vertrauen auf die umfassende
Bedeutung
des Newtonschen
Fernwirkungsge-
setzes erschüttert,
so
lagen
zunächst doch noch
keine direkten Gründe
vor,
die
zur
Erweiterung
der Newtonschen Theorie
zwangen.
Ein solcher
direkter Grund
liegt
aber heute für
diejenigen
vor,
die
an
der
Richtigkeit
der Relativitäts-
theorie festhalten. Nach der Relativitätstheorie
gibt
es
nämlich
in
der Natur kein
Mittel,
das
uns
gestatten würde, Signale
mit Überlicht-
geschwindigkeit
zu
senden.
Andererseits
aber
ist
einleuchtend,
daß
wir bei
strenger Gültig-
keit
von
Newtons
Gesetz die Gravitation da-
zu
verwenden
könnten,
Momentansignale
von
einem Orte
A
nach einem entfernten Orte
B
zu
senden;
denn die
Bewegung
einer
gravi-
tierenden Masse in
A
müßte
gleichzeitige
Änderungen
des Gravitationsfeldes
in
B
zur
Folge
haben
-
im
Widerspruch
mit der
Re-
lativitätstheorie.
[4]
Die Relativitätstheorie
bringt
uns
aber nicht
nur
den
Zwang,
Newtons Theorie
zu
modi-
fizieren;
sie
schränkt auch
zum
Glück
in
weit-
gehendem
Maße
die
Möglichkeiten
hierfür
ein.
Wäre dies nicht der
Fall,
so
wäre
das
Be-
streben
einer
Verallgemeinerung
von
Newtons
Theorie ein
hoffnungsloses
Unternehmen.
Um
dies deutlich
zu
sehen,
versetze
man
sich
nur
in
folgende analoge
Situation: Von den
elektro-
magnetischen Erscheinungen
seien
nur
die-
jenigen
der Elektrostatik
experimentell
bekannt.
Man
wisse aber,
daß sich die elektrischen
Wir-
kungen
nicht mit
Überlichtgeschwindigkeit
aus-
breiten können. Wer
wäre imstande
gewesen,
aus
diesen Daten die Maxwellsche Theorie
der
elektromagnetischen Vorgänge zu ent-
wickeln? Unsere Kenntnisse auf dem Gebiete
der
Gravitation
entsprechen
aber
genau
dem
eben
fingierten Falle;
wir kennen
nur
die
Wechselwirkung
zwischen ruhenden
Massen,
und
diese wahrscheinlich
nur
in der
ersten
An-
näherung.
Die
verwirrende
Mannigfaltigkeit
der
möglichen
Verallgemeinerungen
wird durch die
Relativitätstheorie dadurch
eingeschränkt,
daß
nach letzterer
in
allen
Gleichungssystemen
die
Zeitkoordinate bis auf
gewisse
Vorzeichenunter-
schiede
in
gleicher
Weise auftritt
wie
die drei
räumlichen Koordinaten. Diese hier
nur un-
genau angedeutete große
formale Erkenntnis
Minkowskis
erweist sich beim Aufsuchen
von
der Relativitätstheorie
entsprechenden
Gleichun-
gen
als Hilfsmittel
von
größter
Bedeutung.
[5]
§
2.
Naheliegende physikalische Hy-
pothesen
über das
Gravitationsfeld.
Im
nachfolgenden geben
wir
einige all-
gemeine
Postulate
an,
welche
an
eine Gravi-
tationstheorie
gestellt
werden
können,
aber
nicht
alle
gestellt
werden
müssen:
1. Erfüllung
der
Erhaltungssätze
des
Im-
pulses
und der
Energie;
[6]
2.
Gleichheit der
trägen
und der schweren
Masse
abgeschlossener Systeme;
[7]
3.
Gültigkeit
der Relativitätstheorie
(im
engeren
Sinne);
d. h.
die
Gleichungssysteme
sind
kovariant
gegenüber
linearen
orthogonalen
Substitutionen
(verallgemeinerte
Lorentz-
Transformationen); [8]
4.
die
beobachtbaren
Naturgesetze hängen
nicht ab
vom
Absolutwerte des
Gravi-
tationspotentials
(bzw.
der Gravitations-
potentiale).
Es bedeutet dies
physikalisch
folgendes:
Der
Inbegriff
der Relationen
zwischen
beobachtbaren
Größen,
welche
man
in einem Laboratorium finden
kann,
wird dadurch nicht
geändert,
daß ich das
ganze
Laboratorium in ein Gebiet
von
anderem
(räumlich und zeitlich konstanten)
Gravitationspotential bringe.
[9]
Zu
diesen Postulaten bemerken wir
folgen-
des.
Alle
Theoretiker werden miteinander darin
übereinstimmen,
daß das Postulat
1
aufrecht
erhalten werden muß. Nicht
so
allgemein
wird
zugestanden
werden,
daß
an
dem Postulat
3
festgehalten
werden muß.
So
hat
M.
Abra-
ham eine Theorie der Gravitation
aufgestellt,
welche das Postulat
3
nicht erfüllt. Ich könnte
[10]
mich diesem
Standpunkt
anschließen,
wenn
in
Abrahams
System
Kovarianz
gegenüber
Trans-
formationen vorhanden
wäre,
die
in
Gebieten
konstanten
Gravitationspotentials
in lineare ortho-
gonale
Transformationen
übergehen;
dies scheint
aber bei Abrahams Theorie nicht der Fall
zu
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