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Erfolge wie in einem gegen die Erde ruhenden Hause. Die physikalischen Experi-
mente, welche wir auf der Erde anstellen, zeigen keine Wirkungen der Bewegung
an, welche die Erde mit allen auf ihr befindlichen Gegenständen ausführt. Allge-
mein: Die Naturgesetze sind unabhängig vom Bewegungszustande des Bezugskör-
pers. Diese Aussage bezeichnet man kurz als „Relativitätsprinzip“. Aber wir haben
doch aus unserer obigen Überlegung folgern zu müssen geglaubt, dass bezüglich
der Gesetze der Lichtfortpflanzung dies Relativitätsprinzip nicht gelte; wie steht es
damit in Wahrheit? Der Amerikaner Michelson bewies vor mehr als 30 Jahren
durch sein berühmtes optisches Experiment, dass das Relativitätsprinzip auch für
die Lichtausbreitung gültig sei in einem Falle, in dem die Theorie einen Einfluss
der Erdbewegung auf den Verlauf des Experiments voraussehen
liess.[2]
Die obige Überlegung musste also einen Fehler enthalten. Das Gesetz der Licht-
ausbreitung ist genau das gleiche, ob man die Sonne oder den abgeschleuderten
Körper als Bezugskörper wählt. Derselbe Lichtstrahl legt sowohl gegenüber der
Sonne als auch gegenüber dem von ihr mit 1000 km ausgeschleuderten Körper
300000 km pro Sekunde zurück. Wenn dies unmöglich scheint, so beruht dies nur
auf der falschen Hypothese von dem absoluten Charakter der Zeit. Eine Sekunde
von der Sonne aus beurteilt ist nicht eine Sekunde von dem ausgeschleuderten Kör-
per aus beurteilt.
Es gibt in der Welt kein überall hörbares Tik-Tak, was wir als Zeit betrachten
könnten. Wenn die Physik von der Zeit Gebrauch machen will, so muss sie dieselbe
erst definieren. Bei diesem Bestreben zeigt es sich, dass man für diese Definition
notwendig eines Bezugskörpers bedarf, und dass die Definition nur inbezug auf
diesen gewählten Bezugskörper Sinn hat. Es zeigt sich, dass man inbezug auf einen
Bezugskörper die Zeit so definieren kann, dass inbezug auf ihn das Gesetz von der
Lichtgeschwindigkeit gültig ist. Diese Definition der Zeit lässt sich für Bezugskör-
per beliebigen Geschwindigkeitszustandes durchführen. Aber es zeigt sich, dass
die Zeiten verschieden bewegter Bezugskörper nicht miteinander übereinstimmen.
Man findet dies genauer begründet in meinem gemeinverständlichen Buch über
Relativitätstheorie[3]
(
).[4]
Sind zwei an verschiedenen Orten stattfinden-
de Ereignisse von einem Bezugskörper aus beurteilt gleichzeitig, so sind sie es
nicht, von einem relativ zu diesem bewegten Bezugskörper aus beurteilt.
Bevor ich in dem Gedankengang fortfahre, muss ich etwas sagen über die Rolle,
die der Bezugskörper in der Mechanik Galilei’s und Newtons spielt. Überhaupt
muss ich bemerken, dass es in der Entwicklung der Wissenschaft nur ein Aufbauen,
aber kein Niederreissen gibt. Wenn nicht eine Generation auf das von der früheren
Erarbeitete aufbauen kann, gibt es keine Wissenschaft. Es wäre traurig, wenn die
Relativitätstheorie die bisherige Mechanik stürzen müsste, so ähnlich, wie ein ty-
rannischer Herrscher den andern stürzt. Die Relativitätstheorie ist nichts anderes
[p. 5]
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