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In dieser [ ] muss also, wenn meine Behauptung richtig ist, ein Fehler stecken oder
eine willkuerliche Voraussetzung, und diesen Fehler bezw. diese willkuerliche Vorausset-
zung muss ich jetzt zeigen und darin besteht der wesentliche Gedanke der speciellen Rela-
tivitaets Theorie, und ich muss deswegen scharf auf diesen Punkt aufmerksam machen. Es
zeigt sich, dass wir bei allen physikalischen Betrachtungen eine willkuerliche Vorausset-
zung gemacht haben ueber das Wesen der physikalischen Zeitbegriffe und besonders des
Begriffs der Gleichzeitigkeit. Man hat niemals daran gezweifelt, dass es einen objektiven
Sinn habe, wenn man von zwei an verschiedenen Orten stattfindenden Ereignissen sagt, sie
seien gleichzeitig. Denken wir uns irgendwo zwei neu aufblitzende Sterne von beliebigem
Bewegungszustande. Man glaubte, dass das Ereignis des Aufblitzens dieser beiden Sterne
gleichzeitig sei und die Behauptung geht nun dahin, dass dieses eine irrtuemliche Voraus-
setzung sei. In Wirklichkeit weiss man garnichts, ohne besondere Difinition, wenn man an-
nimmt, dass zwei derartige Ereignisse gleichzeitig seien. Die Meinung, dass wir wuessten,
was gleichzeitige Ereignisse sind, kommt daher, dass fuer unser alltaegliches Leben das
Licht uns mit solcher Geschwindigkeit Kenntnis gibt von den Vorgaengen, die in einiger
Entfernung von uns stattfinden, dass wir mit Hilfe des Lichtes Gleichzeitigkeit unmittelbar
wahrzunehmen glauben. Wenn z. B. hier in diesem Saale an beiden Enden elektrische Lam-
pen angezuendet werden und ein Beobachter, der sich in dieser Partie des Saales befindet,
konstatiert die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, so konstatiert ein anderer Beobachter, der in
der anderen Partie des Saales sich befindet, dasselbe, weil Licht fuer uns ein Blitz-Kommu-
nikationsmittel bedeutet, und daraus entspringt fuer uns die physikalische Selbstverstaend-
lichkeit des Begriffs “gleichzeitig”. Wenn aber die Ereignisse an sehr weit von einander
entfernten Orten stattfinden, so existiert diese Evidenz des Gleichzeitigkeit-Begriffs nicht
mehr, und wir koennen uns vorstellen, dass wenn wegen zwei solcher Ereignisse irgendwie
zwei in der Welt vorhandene Physiker in Streit geraten, ob sie gleichzeitig gewesen sind
oder nicht, dass diese ihren Streit nicht ausfechten koennen, denn sie wissen nicht, was sie
sagen, solange nicht eine solche Definition existiert, auf Grund deren festgestellt werden
kann, ob die Ereignisse gleichzeitig sind oder nicht, und darum muessen wir eine Definition
geben. Wir wollen die Difinition folgendermassen machen. Wir wollen sagen: Wir haben
vorausgesetzt zu glauben, dass bei geeigneter Formulierung der Naturgesetze das Gesetz
von der Konstanz der Ausbreitung des Lichtes richtig ist, und da wir auch von der Richtig-
keit des speziellen Relativitaets-Prinzips ueberzeugt sind, so werden wir eben auf diese bei-
den Saetze die Definition der Gleichzeitigkeit stuetzen duerfen. Wir sagen so: Wir wenden
irgend ein Inertial-System an, ich will es durch diesen starren Stab markiert denken, der so
gelegt sei, dass die beiden Ereignisse, welche uns interessieren, unmittelbar neben ihm
stattfinden. Dann sage ich, ich bestimme die Orte relativ zu diesem Inertial-System, wel-
ches ich etwa mit K bezeichne, wo die Ereignisse stattfinden und bestimme zwischen die-
sen beiden Punkten das Inertial-System. Dieses kann ich durch wiederholtes Anlegen eines
Maassstabes erreichen.

Wenn nun die beiden Lichtsignale der beiden Ereignisse bei einem Beobachter, der sich in
der Mitte befindet, gleichzeitig eintreffen, dann sagen wir sie sind gleichzeitig. Wir definie-
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