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welcher der Wagen faehrt. Dies will sagen, wir geben gewisse Punkte der Erdoberflaeche
an. Die Erdoberflaeche dient aber dabei als Bezugskoerper. Eine Beschreibung irgend eines
raeumlichen Vorgangs ist unmoeglich, und so wie es im taeglichen Leben ist, so ist es auch
in der Physik. Nun muss ich auf einen wichtigen Punkt zu sprechen kommen, welcher eben-
falls aus der Mechanik stammt, und welchen wir in der Physik verwenden. Wir sprechen
von einem speziell genannten Inertialsystem. Es verhaelt sich damit in folgender Weise:
Der oberste Grundsatz auf welchem alle Mechanik beruht, ist der Grundsatz der Traegheit.
Ein von anderen Koerpern hinreichend entfernter Koerper verharrt im Zustande der Ruhe
oder der gleichfoermig-geradlinigen Bewegung. Dieser Satz sagt nicht nur etwas aus ueber
die Bewegung der Koerper, sondern auch ueber die in der Mechanik zulaessigen Bezugs-
koerper oder Koordinatensysteme, welche bei der mechanischen Beschreibung verwendet
werden duerfen. Koerper, auf welche der Traegheitssatz sicherlich mit grosser Annaehe-
rung Anwendung finden kann, sind die sichtbaren Fixsterne. Benutzen wir nun ein Koordi-
natensystem, welches mit der Erde verbunden ist, so beschreibt relativ zum ihm jeder
Fixster im Laufe eines Tages einen Kreis von ungeheurem Radius, im Widerspruch mit dem
Wortlaut des Traegheitsgesetzes. Haelt man also diesem Gesetze fest, so darf man die
Bewegungen nur auf Koordinatensysteme beziehen, relativ zu welchen die Fixsterne keine
Kreisbewegungen ausfuehren. Ein Koordinatensystem, dessen Bewegungszustand ein
solcher ist, dass relativ zu ihm das Traegheitsgesetz gilt, nennen wir ein “Galileisches Koor-
dinatensystem”.
Nun kommt die Schwierigkeit, welche ich Ihnen entwickeln will. Es ist also nach dem
Gesagten klar, dass in der Mechanik das spezielle Gesetz der Relativitaets-Theorie giltig
ist. Es entsteht nun die Frage: Gilt diese spezielle Relativitaets-Prinzip auch in Bezug auf
das Licht, in Bezug auf die Ausbreitung des Lichtes? Da scheint nun eine einfache Ueber-
legung zu ergeben, dass das vorhin genannte einfache Gesetz der Ausbreitung des Lichtes
dem Relativitaets-Prinzip zu widersprechen scheint. Es scheint dass der Satz von der Koor-
dination die allgemeine Gueltigkeit des Relativitaets-Prinzips ausschliesst. Es ist leicht sich
dieses anschaulich zu ueberlegen. Wir wollen fuer diesen Zweck die Wand dieses Saales
identifizieren mit dem System K, und wollen annehmen, dass relativ zu diesem Koordina-
tionsnsystem K das Gesetz von der Konstanz der Lichtausbreitung gilt. Dann sagt Euch das
Gesetz auch, wenn von hier aus, nach irgend einer Richtung und von irgend einem
benachbarten Koerper ein Lichtstrahl faellt, dann macht dieser Lichtstrahl in einer Sekunde
den Weg c - 300,000 km. Wenn nur der Satz von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
gelten soll, so heisst das, dass dasselbe Gesetz der Nichtausbreitung auch gelten soll, nicht
nur in bezug auf diesem Sinn, sondern auch in bezug auf einem gleichmaessig treibenden
Wagen, und dieses scheint nur einen Widerspruch zu enthalten. Wir wollen annehmen, ich
sende einen Lichtstrahl in dieser Richtung von mir weg auf die andere Seite des Saales. und
ich will annehmen, es dauert eine Sekunde. In dieser Beziehung macht dieser Lichtstrahl
den Weg c. Ich will nun gleichzeitig mit diesem Lichtstrahl einen Wagen anfahren lassen
mit einer kleinen Geschwindigkeit v, und zwar in derselben Richtung, in der sich der Licht-
strahl fortpflanzt, aber natuerlich vier langsamer. Wie rasch geht dieser Lichtstrahl
vorwaerts relativ zum Wagen? Der Lichtstrahl macht in einer Sekunde den Weg c. Die
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