9 1 2 A P P E N D I X D die Palästinafrage sehe? Ich sehe sie von zwei Seiten. Erstens handelt es sich um das Problem der Siedlung, das nur durch großangelegte Hilfe von außen gelöst werden kann, und zu dessen Gelingen die materiellen Kräfte aller Juden herangezogen werden müssen, zweitens um die Weckung der Privatinitiative hauptsächlich für Werke der Indu- strie und des Handels.“ „Welche Eindrücke haben Sie aus Palästina mitgenommen?“ „Den tiefsten Eindruck hat auf mich die entsagungsvolle Arbeit der jungen Leu- te gemacht, die aus den verschiedensten Gegenden zusammengekommen, es ver- standen haben unter der Wirkung einer gemeinsamen Sehnsucht sich in ganz engen Gemeinschaften zusammenzufinden und durchaus einheitliche und planvolle Arbeit zu leisten. Besonders beim Besuch von Nahalal hat es mich tief ergriffen, wie diese jungen Menschen, abgesehen von den schwierigen Verhält- nissen, die sich bei jeder Siedlung auf neuem Boden ergeben, unter einem Kapi- talsmangel zu leiden haben, unter einer lächerlich geringen Schuld, welche diese Leute so schwer bedrückt hat. Wie leicht wäre es eigentlich, diesen Menschen zu helfen und wie sehr verdienten sie es! Ich glaube, daß niemand das Leben dieser Menschen sehen kann, ohne die Pflicht zu fühlen, für sie alles zu tun, was in der Macht liegt. Außerdem hat auf mich einen erfreulichen und guten Eindruck die Stärke des Unternehmungsgeistes gemacht, der sich bei der städtischen Bautätigkeit zeigt es ist der Eindruck, daß da eben eine Entwicklung vor sich geht, die einen fast lawi- nenartigen Charakter annimmt. Man fühlt, daß dieses Werk von dem starken Ge- fühl einer Nation getragen ist. Sonst würde man die rapide Entwicklung, besonders an der Küste bei Tel-Awiw, kaum verstehen. Ich habe niema[l]s den Eindruck ge- wonnen, daß die arabische Frage die Entwicklungsmöglichkeit des Palästinaprojektes bedrohen könnte. Ich glaube vielmehr, daß besonders zwischen den unteren Klassen der Juden und der Araber im ganzen ein gutes Einvernehmen geherrscht hat. Die sozusagen in der Natur lie- genden Schwierigkeiten kommen einem nicht zum Bewußtsein, wenn man an Ort und Stelle ist. Unvergleichlich schwerer erscheint einem vielmehr die Frage der Rekonstruierung und der Sanierung des Vaterlandes. Der Standpunkt, den die meisten Menschen bezüglich der Palästinafrage bei uns einnehmen, ist ungefähr der: Was geht das uns an? Man könnte die Frage aufwer- fen, welche große Bedeutung es für ein zerstreutes Volk von so und so viel Millio- nen Menschen haben könnte, ob man eine oder anderthalb Millionen von ihnen in