6 9 6 D O C . 4 5 5 T R A V E L D I A R Y Mitarbeiter) Latzki (Russe, in Berlin wohnend) war auch dabei. Erhielt von mir Empfehlungsbrief an Gallardo.[78] 29. Empfang in ¢Polyt² Ing. Schule ¢Diplo² Gedenkmedaille der Studenten Letz- te Vorlesung. Abends grosser Empfang bei deutschem Gesandten, bei dem nur Uruguaiische Politiker und Gelehrte waren.[79] 30. Morgens Kino Südpol-Expedition, austral. Archipel und ein hübscher Shapley-Film (der falsche Pastor) eigens für mich von Glücksmann aufgeführt.[80] Nachmittags wundervolle Segelpartie. 6 Uhr Empfang im Ingenieurverein. Abends 9 Uhr grosses Bankett gegeben von Regierung und Universität. Ich sass neben Prä- sident und einem Minister und unterhielt mich vortrefflich. Wacht am Rhein statt deutsche Hymne gespielt![81] Deutscher Ges. und ich schmunzelten. Die Menschen waren rührend und ohne Ceremoniel. Aber ohne Smoking gehts nicht ¢1 Bemerkung: das über Montevideo ist aus dem Gedächnis am Dampfer[82] geschrieben. In Wirklichkeit war es viel mehr und viel bunter, sodass ich bei aller Liebe manchmal kaum mehr jabsen konnte. Es war aber viel menschlicher und er- freulicher als in Buenos Aires, wozu natürlich die kleineren Dimensionen des Lan- des und der Stadt beitrugen. Diese Leute erinnern eben an Schweizer und Holländer. Bescheiden und natürlich. Hol’ der Teufel die grossen Staaten mit ihrem Fimmel. Ich würde sie alle in kleinere zerschneiden, wenn ich die Macht dazu hätte. 1 V. Alle Arbeit ruht und keine Autos dürfen fahren Ich werde mit Stadt-Auto zur Bahn gebracht und mit Hafendampfern samt der zahlreichen Begleitung aufs Schiff gebracht. Valdivia. Französisch Sehr dreckig und klein, aber freundliche Mannschaft und gemütlich.[83] Nur vor den Abtritten graust mir. 3 Tage kann mans aber aushalten. Meine Nerven sind abgespannt. Ich gäbe was drum, wenn ich in Rio nicht noch einmal aufs Trapez müsste. Aber man muss aushalten. 2 V Der Schiffsarzt hat mir ein Buch von Le Bon mit Aphorismen zur Politik und Soziologie gegeben. Geistreich, aber nicht frei von gewissen Vorurteilen, ins- besondere das kommunistische Problem betreffend. Er raisonniert wie die Libera- len von 1850. Auch ist er nicht frei von Militarismus.[84] Es wird ziemlich heiss. Dazu das ziemlich schwer und schlecht gekochte Essen Man schläft schlecht. Ge- sellschaft am „Honoratiorentisch“ recht gemütlich, besonders Kapitän. Sind viel angenehmer als Deutsche, viel schlichter und natürlicher. Dabei von einem gewis- sen Feingefühl, nicht zudringlich. All meine wissenschaftlichen Ideen, die ich in Argentinien ausdachte, erweisen sich als unbrauchbar.[85] Das Wetter ist schlecht bis mittelmässig. 3. Wetter etwas besser. Viel Wind aber wenig erfrischend. Die Ruhe aber thut wohl. Morgen abend ist die Herrlichkeit vorbei, und ich muss ein letztesmal aufs Trapez. Diese paar Tage Affenkomödie werde ich mit Gottes Hilfe noch aushalten. [p. 31] [p. 32] [p. 33] [p. 34]
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